Schnell war heute der Begriff des "Schwarzen Montag" in aller Munde. Anlass für das dramatische Sprachbild boten neben einem satten Index-Minus an den weltweit wichtigsten Börsen die Ölpreise, die zum Wochenauftakt tatsächlich massiv abstürzten. Und zwar um mehr als 25 Prozent und damit so deutlich, wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.

Was aber führte zum stärksten prozentualen Einbruch am Ölmarkt seit dem Golfkrieg 1991? Und wie geht es jetzt weiter?

Nun, wirklich überraschend kommt der nunmehrige Verfall nicht. Er hat sich vielmehr bereits zumindest seit Ende letzter Woche abgezeichnet. Schon am Freitag nämlich rutschte der Ölpreis für die Sorte Brent um 9,4 Prozent ab. Und damit so stark, wie seit dem Krisenjahr 2008 nicht mehr. Grund dafür: ein gescheiterter Kompromiss.

Am Donnerstag noch hatten sich in Wien die Mitglieder der OPEC ("Organisation erdölexportierender Länder") auf eine baldige, zusätzliche und deutliche Förderreduktion verständigt. Diese schien aus Sicht der Länder um Saudi-Arabien als Reaktion auf die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus notwendig. Viel Unsicherheit hatte die internationalen Märkte geflutet und dem Ölpreis sukzessive zugesetzt. Wegen der Ausbreitung des Erregers prognostiziert die Internationale Energie-Agentur für 2020 gar erstmals seit 2009 einen in Summe sinkenden Erdöl-Verbrauch.

Einen Tag nach dem Kompromiss aber kam es zum großen Auftritt des russischen EnergieministersAlexander Nowak. Dieser, Russland gilt als Kooperationspartner der OPEC und zählt zur so genannten OPEC+, versagte der Absicht die Unterstützung. Selbst auf eine Verlängerung bestehender Förderbeschränkungen konnte sich das erweiterte Gremium nicht einigen.

Interpretiert wurde die, für die meisten Beobachter sehr überraschende, Entscheidung Russlands als "Kampfansage an die Vereinigten Staaten". Die deutsche "FAZ" beruft sich in einer Einschätzung mit diesem Tenor auf namentlich nicht genannte Teilnehmer der russischen Delegation. Sanktionen aus Washington hätten zuletzt für russischen Unmut gesorgt, etwa als im Februar Strafmaßnahmen gegen eine Tochtergesellschaft der russischen Rosneft erlassen wurden.

Die "beispiellosen Rabatte" Saudi-Arabiens

Wie dem auch sei. Nach dem russischen Veto schaltete Saudi-Arabien rhetorisch in die Offensive, wodurch sich die Situation tatsächlich zunehmend zuspitzte. Eine Ankündigung reichte schlussendlich aus, um den Druck auf die Ölpreise noch einmal deutlich zu erhöhen und den historischen Fall auszulösen: Am Samstag erklärte Saudi Aramco, weltweit wertvollstes Börse-Unternehmen und das betriebliche Synonym für Saudi-Arabien als Erdölland, heftige Preiskürzungen anzustreben.

Von "beispiellosen Rabatten in Asien, Europa und den USA" schreibt gar das Handelsblatt in einer Analyse. "Es steht ein Preiskrieg bevor", befindet dahingehend im selben Bericht Warren Patterson, Chefanalyst für Rohstoffe bei der ING Bank. Mit den aggressiven Preisen – europäische Abnehmer sollen etwa für die Sorte Arabian Light einen Preis zahlen, der um mehr als 10 Dollar unter jenem von einem Fass der Nordseesorte Brent liegt – will Saudi-Arabien mehr Raffinerien dazu bringen, auf saudisches Rohöl zu setzen.

Den Druck auf Russland & Co. könnten die Saudis zudem länger hoch halten. Ende März laufen die aktuellen Förderregelungen aus, ab Anfang April kann theoretisch also wieder jedes Land so viel produzieren wie es will, ohne dabei paktuntreu zu sein. Wie Riad das ausnutzen will? Von April an, so heißt es im Golfland, soll jetzt auf einmal deutlich mehr gefördert werden, selbst die Rekordmenge von zwölf Millionen Barrel am Tag könnte übertroffen werden.

Jedenfalls aber will Saudi Aramco wieder mehr als zehn Millionen tägliche Fass fördern. Zwar braucht Saudi-Arabien eigentlich einen Ölpreis zwischen 70 und 80 Dollar pro Fass für einen wirklich ausgeglichenen Staatshaushalt, dennoch kann das Königreich ob der deutlich niedrigeren Förderkosten viel früher Gewinn machen als beispielsweise Russland oder gar die USA.

Wie es mit dem Ölpreis jetzt weitergeht?

Mittelfristig dürften die Preise jedenfalls niedrig bleiben, "längerfristig werden Ölpreise trotzdem eher steigen als fallen", erklärt Josef Baumgartner, Rohstoff-Experte des Wifo im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Die aktuelle Auseinandersetzung der Erdöl-Länder interpretiert Baumgartner als "Schuss vor den Bug". Der Ökonom rechnet damit,  dass es noch vor Anfang April zu weiteren Gesprächsrunden und einer Einigung auf eine Förderreduktion kommen wird. Für einen bald wieder steigenden Ölpreis spricht zudem, dass die Nachfrage nach Rohöl in der zweiten Jahreshälfte erfahrungsgemäß ansteigt. Wenngleich Erfahrungswerte – zumindest so viel ist in Tagen wie diesen gewiss – aktuell nur bedingt Aussagekraft haben. 

Ab wann die niedrigen Ölpreise an den Tankstellen landen? Baumgartner: "Das sollte in den nächsten Tagen passieren." Übrigens hätten Untersuchungen gezeigt, dass Ölpreissenkungen "im selben Ausmaß" (Baumgartner) an die Zapfhähne weitergegeben werden wie Preissteigerungen. Nur dauert es bei sinkenden Preisen länger.