Die ausgedehnten Streiks von Beschäftigten in der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) haben am Donnerstagnachmittag mit einem großen Protestmarsch einen neuen Höhepunkt erreicht. Etwa 3.000 Menschen zogen vom Praterstern zum Sozialministerium am Wiener Ring und zeigten deutlich, dass die Forderung der Gewerkschaft nach einer 35-Stunden-Woche breite Rückendeckung von den Arbeitnehmern genießt.

Etwa 1.500 Menschen hatten sich am Nachmittag zur Auftaktkundgebung am Wiener Praterstern versammelt. Auf dem Weg Richtung Sozialministerium wurden weitere Belegschaften von am Weg liegenden Standorten aufgesammelt, die Anzahl der Streikenden wuchs stetig. "Wir sind so viele", hieß es immer wieder, auch bei einer Zwischenkundgebung in der Taborstraße. Begleitet von Trommeln, Pfeifen, Schildern und einem selbst gebastelten Bournout-Monster wurde die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich durch Wien getragen - Solidaritätsbekundungen von Passanten inklusive.

Das "Burnout-Monster"
Das "Burnout-Monster" © APA/HANS PUNZ

Gewerkschaft spürt Rückenwind

Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), freute sich über die breite Unterstützung. Für die weiteren Verhandlungen sah sie sich dadurch gestärkt und sagte: "Ich hab's leichter als die Arbeitgeber, mit 3.000 Leuten im Rücken." Aufseiten der Arbeitgeber ortet sie weiterhin Uneinigkeiten. "Es werden immer mehr, die sich öffentlich dazu bekennen", sagte sie in Anspielung auf die geforderte Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Innerhalb der Arbeitgeberkurie brauche es aber eine Dreiviertel-Mehrheit, um einer Lösung näher zu kommen.

Kritik an Mahrer und Marschitz

Als Feindbilder wurden bei der Streikdemonstration am Donnerstag vor allem Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) und SWÖ-Chefverhandler Walter Marschitz ausgemacht. Mahrer hatte sich zuletzt ablehnend über die 35-Stunden-Woche geäußert und erntete dafür den Hohn der Streikenden. Auch Marschitz wurde als Buh-Mann dargestellt. Er sei immer nur Chef und Manager gewesen, hieß es in mehreren Reden. Daher habe er keine Ahnung, was es heißt, in dieser Branche wirklich zu arbeiten. "Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer", rief man bei dem Protestmarsch zum Klassenkampf auf.

In mehreren Reden sprachen sich Beschäftigte klar für die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich aus. Die Branche leiste physisch und psychisch anstrengende Arbeit - die Arbeitnehmer pflegen, unterstützen und erziehen so viele Menschen, hieß es vor dem Sozialministerium. Politiker und Arbeitgeber würden sich aus der Verantwortung stehlen und sich den Ball gegenseitig zuspielen. Damit würden sie das Vertrauen der Arbeitnehmer verspielen, wurde kritisiert.

Caritas solidarisch

Solidarisch erklärte sich auch die Caritas, die zwar einen eigenen Kollektivvertrag hat, am Montag aber auch schon gestreikt hat. Ein Betriebsrat versprach volle Unterstützung für die gemeinsame Forderung nach einer 35-Stunden-Woche, die für eine Attraktivierung der Branche notwendig sei.

Zum Abschluss gab es noch musikalische Streikunterstützung durch Eva Stern von "Geschichten im Ernst". Mit einem eigenen 35-Stunden-Song brachte sie die Menge vor dem Ministerium zum Singen: "35 Stunden sind genug, Arbeitgeber ihr seid nun am Zug. Arbeitszeiten runter, Löhne rauf - Was anderes nehmen wir nicht in Kauf", hieß es da. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) lockte der Gesang jedoch nicht vor die Tore seines Ministeriums - im Gegensatz zur Streikversammlung vor zwei Wochen.

Die Streikdemo war der Abschluss der zweitägigen Warnstreiks in der Sozialwirtschaft, die 125.000 Menschen in privaten Sozial-, Gesundheits- und Pflegeberufen beschäftigt. Insgesamt beteiligten sich mehr als 400 Standorte an den Kampfmaßnahmen.