Das türkis-grüne Regierungsprogramm verspricht zahlreiche Steuersenkungen. Eine davon versteckt sich im Kapitel „Umwelt- und Naturschutz“: Zur Förderung der Kreislaufwirtschaft plant die Regierung die „steuerliche Begünstigung für kleine Reparaturdienstleistungen und den Verkauf reparierter Produkte“. Um das zu ermöglichen, strebt sie auch eine „Weiterentwicklung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie“ an.

Die Idee, die Mehrwertsteuer auf Reparaturen und reparierte Produkte zu senken, ist nicht ganz neu. Der ökologische Gedanke dahinter ist einleuchtend: Die Reparatur von Produkten benötigt oft weniger Energie und Ressourcen als ihre Herstellung. Altes weiterzuverwenden erscheint aus diesem Blickwinkel umweltschonender, als Neues zu kaufen. Doch das muss nicht immer so sein. Neue Geräte sind oft energieeffizienter als alte. Über die Verwendungsdauer gerechnet, kann ein Neukauf daher ökologisch weniger schädlich sein als eine Reparatur. Weil mit geringerem Energieverbrauch auch eine Kostenersparnis einhergeht, kann der Neukauf die langfristig günstigere Alternative sein.

Trennlinie in der Praxis recht unscharf

Der Mensch neigt jedoch dazu, Kosten in der Gegenwart stärker zu berücksichtigen als allfällige Ersparnisse zu einem späteren Zeitpunkt. Die Wirtschaftswissenschaft nennt das positive Zeitpräferenz, welche teils negative Folgen hat: Investitionen werden unterlassen, obwohl sie vergleichsweise hohe Schäden in der Zukunft verhindern – ein gerade rund um den Klimawandel bekanntes Dilemma. Bei der Weiterverwendung gebrauchter Produkte im Namen des Umweltschutzes wird sich die Regierung gut überlegen müssen, welche Reparaturen sie fördert. Was für Heizsysteme und Autos gilt, gilt auch für Elektrogeräte: Gebraucht ist nicht immer nachhaltiger, sauberer oder gesünder. Unklar ist zudem, weshalb ausgerechnet der Steuergesetzgeber wissen soll, welche Reparaturen ökologisch empfehlenswert sind.

Ausnahmen, Rückausnahmen, Steuerbefreiungen und Tarifermäßigungen machen ein Steuergesetz nicht einfacher. Dies ist nicht nur aus der Umsatzsteuer wohlbekannt. Die Umsatzsteuer – umgangssprachlich als Mehrwertsteuer bezeichnet – besteuert den Mehrwert, weil Unternehmen beim Einkauf gezahlte Vorsteuern von den beim Verkauf fälligen Steuern abziehen dürfen. Am Ende bezahlen sie daher nur Steuer für jenen Wert, den sie den eingekauften Waren und Dienstleistungen durch eigene Weiterverarbeitung laut Verkaufspreis hinzugefügt haben.

Das heißt: Einem Staat, der unterschiedliche Umsätze unterschiedlich hoch besteuert, ist ein Mehrwert mehr wert als der andere. Dies mag vordergründig noch nachvollziehbar erscheinen, wenn zum Beispiel zwischen Luxusgütern und Gütern des täglichen Gebrauchs unterschieden wird. In der Praxis jedoch ist die Trennlinie recht unscharf, wenn etwa Milch mit zehn Prozent, Mineralwasser jedoch mit 20 Prozent besteuert wird.

Für Legitimation muss Regierung nicht erfinderisch sein

Auch das Regierungsprogramm stößt sich an einer weiteren ungleichen Behandlung von Gütern vor dem Umsatzsteuergesetz: Damenhygieneartikel werden aktuell mit 20 Prozent und damit ebenso hoch wie Luxusartikel besteuert. Das soll sich nun ändern. Für die Legitimation muss die Regierung nicht erfinderisch sein, geht es doch um Güter alltäglichen Gebrauchs und um Geschlechtergerechtigkeit. Ob die geplante Tarifermäßigung vom Handel auch an die Konsumentinnen weitergegeben wird, ist jedoch noch eine offene Frage.

Beide Regierungsvorhaben verfolgen wünschenswerte Ziele. Der eigentlich notwendigen Vereinfachung und Vereinheitlichung des Umsatzsteuergesetzes dienen sie aber nicht. Möge derlei Stückwerk in der ohnehin schon bizarren Landschaft an Steuersätzen und -befreiungen die Ausnahme bleiben. Es ist nicht immer dem Hausverstand geschuldet, sondern zu gutem Teil auch effektiver Lobbyarbeit.

Prof. Rainer Niemann (Institutsvorstand) und Timon Scheuer (wissenschaftlicher Mitarbeiter) sind am Institut für Unternehmensrechnung und Steuerlehre an der KF Uni Graz tätig. Ein spezieller Fokus liegt auf „Smart Regulation“.