Wer in Wien am Schwarzenbergplatz in die imposanten Hallen der Industriellenvereinigung (IV) kommt, kann blitzschnell eine kleine Zeitreise machen. Rechts hinter dem breiten Stiegenaufgang zieht Europas ältester Paternoster seine Bahnen hinauf und hinunter. Die Kabinen knarren, der Schritt hinein will abgepasst und beherzt sein, sonst ist Springen angesagt oder Warten.

Wer den Noch-Präsidenten Georg Kapsch treffen will, muss nicht weit nach oben, nicht einmal in diesen rechten Gebäudeflügel. Sein schlichtes Büro ist fast zu ebener Erd, links. Tausende Male wird der 60-Jährige zwischen Innenstadt und Headquarter der Kapsch-Gruppe unweit des Wienerbergs in den vergangenen acht Jahren gependelt sein. Die Doppelbelastung des extrem aufwendigen Ehrenamts und des noch aufwendigeren Fulltime-Jobs des Vorstandschefs und Eigentümers wird im Sommer ein Ende haben.

Zwei Kandidaten, eine Kandidatin

Wer dem unbequemen Querdenker folgen könnte, darüber gehen seit Monaten die Spekulationen auf und ab wie der Paternoster. Wolfgang Eder, Martin Ohneberg, Karin Exner-Wöhrer sind die bekannten Namen. In der „Nachfolgekommission“ rauchen gerade die Köpfe, was für und gegen wen spricht.

Was braucht die Industriellenvereinigung? Viele Unternehmer wünschen sich wieder einen heißeren Draht zur Regierung. Im Hinblick auf eine ökologische Steuerreform wird die schlagkräftige Organisation mit 80 Mitarbeitern in Wien ein Teil der Lösung sein müssen.
Das in der Form vielleicht nie da gewesene Dilemma der IV auf „Alt gegen Jung“ zuzuspitzen, griffe zu kurz.

Frage des Alters

Ist jemand mit 67 alt? Ja – aber wenn der richtig gut ist, international bestens vernetzt? An Wolfgang Eder, dem langjährigen, extrem erfolgreichen Chef der Voestalpine, müssten sich Jungpolitiker ohne Sattelfestigkeit in Wirtschaftsfragen abarbeiten, sein Wort hat Stahlgewicht.

Könnte Eder avantgardistisch sein? Der Brückenbauer zwischen Old Economy und Treibern für den Klimaschutz? Lösungspartner? Die vom Manager Eder zum High-Tech-Konzern umgeformte Voestalpine ist noch Österreichs größter Einzel-Emittent von Kohlendioxid, aber es sind auch die „Voestler“, die an der globalen Pole-Position für den Kohleausstieg arbeiten.

Eder wird sich nicht bewerben

Eines ist sicher: Sollte jemand auf eine Bewerbung des Oberösterreichers Eder warten, kann er lange warten. Einer Kampfabstimmung würde sich der auch in der Pension viel beschäftigte Infineon-Aufsichtsratschef und Voestalpine-Aufsichtsrat niemals stellen. Es gibt viele, die nur ihn wollen. KTM-Boss Stefan Pierer etwa.

Martin Ohneberg, bald 49-jähriger, smarter IV-Spitzenmann in Vorarlberg, ist seit 2011 Unternehmer. Karriere hatte er in Wien in der Soravia Group gemacht, er gilt hier als bestens vernetzt. Seit einigen Monaten ist er Verbund-Aufsichtsrat, dort Stellvertreter von Thomas Schmied. ÖBAG-Chef Schmied ist bekanntlich eng mit Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Knill in der Nachfolgekommission

Vorarlberg ist ÖVP-Grün-erprobt. Die Abfuhr, die die Bevölkerung der Werkserweiterung des Saftherstellers Rauch erteilt hat, dürfte indes noch vielen Industriellen im Magen liegen. Diese Watschn passte weniger in das „Big Picture“ vom Ländle, das Ohneberg vor einem Jahr entwickeln ließ. Das vermeintliche Duell könnte sich auch in Wohlgefallen auflösen. Weil endlich einmal eine Frau in die erste Reihe will. Auch der Name des steirischen IV-Präsidenten Georg Knill fällt. Er sitzt allerdings selbst in der Nachfolgekommission, der es obliegt, dass der Generationenwechsel ohne Knirschen und Krachen über die Bühne geht.