Wachsende Milliardenrisiken im Diesel-Abgasskandal verschärfen mitten im teuren Umbruch zu Elektroautos die Krise bei Daimler. Der deutsche Autobauer warnte am Mittwoch vor weiteren 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro Aufwand für Verfahren im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Manipulation der Abgasreinigung.

Der operative Konzerngewinn fällt 2019 nach vorläufigen Zahlen mit 5,6 Milliarden Euro außerdem noch gut eine Milliarde Euro niedriger aus als zuletzt am Markt erwartet. Mit einer Rendite von vier Prozent seiner Marke Mercedes-Benz fuhr der nach Absatzzahlen weltweit größte Hersteller von Premiumautos Analysten zufolge weniger ein als alle anderen deutschen Autobauer.

"Dicke Krise"

"Das Unternehmen ist in einer ganz dicken Krise", sagte Jürgen Pieper, Autoanalyst vom Bankhaus Metzler. Daimler hätte den Schalter noch nicht umgelegt und käme mit Wachstum wie Einsparungen zu langsam voran.

Der Konzern musste zum dritten Mal seit dem Antritt des neuen Chefs Ola Källenius im Mai vergangenen Jahres eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Zuletzt hatte er im Juni und Juli 2019 die Prognosen gesenkt. Die Aktien gingen auf Talfahrt - sie lagen knapp zwei Prozent im Minus.

Schadenersatzklagen

Die Dieselkrise trifft Daimler in einer ohnehin schwierigen Phase, in der die gesamte Branche bei schwächelnden Märkten zig Milliarden ausgeben muss für den Umstieg auf Elektroautos. Daimler bringt wegen eines zu hohen Stickoxid-Ausstoßes rund drei Millionen Fahrzeuge per Software-Update in Ordnung, gut ein Drittel davon auf amtliches Geheiß des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA).

Die Zahl der Schadensersatzklagen von Autokäufern und Anlegern wächst. Zuletzt reichte allein die Anwaltskanzlei Tilp Klagen von Investoren auf insgesamt 900 Millionen Euro Schadenersatz ein. Daimler weist Betrugsvorwürfe zurück und will sich mit allen rechtlichen Mitteln wehren. Auch in den USA laufen noch Ermittlungen wegen des Verdachts der Abgasmanipulation. Die von Daimler bekannt gegebenen Rückstellungen für Dieselgate belaufen sich auf rund 3 Milliarden Euro.

Milliardenverlust in kleiner Sparte

Nach vorläufigen Zahlen brach der operative Konzerngewinn im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro ein. Der zusätzliche Diesel-Aufwand ist hier noch gar nicht eingerechnet. Neben schwächerem Absatzwachstum bei Pkw und schrumpfender Verkaufszahl bei Nutzfahrzeugen leidet Daimler auch an hausgemachten Problemen. So stockte die Produktion wichtiger Modelle.

Bei Mercedes-Benz Vans müssen weitere 300 Millionen Euro für "die Überprüfung und Priorisierung des Produktportfolios" ausgegeben werden. Die kleine Sparte brockt dem Unternehmen einen Betriebsverlust von 2,4 Milliarden Euro ein. Mercedes-Benz Cars verdiente mit 3,7 Milliarden Euro etwa nur halb so viel wie 2018, obwohl die Marke mit dem Stern den Absatz mit einem Plus von 0,7 Prozent auf Rekordniveau hielt.

Sparpaket vor Erweiterung?

Anders als im stark durch die Konjunktur gebeutelten Volumenmarkt laufe das Geschäft im Premiumsegment nicht so schlecht, dass eine derart niedrige Rendite gerechtfertigt wäre, sagte Analyst Pieper. Und das bei den hohen Ansprüchen und Preisen von Daimler. "Sogar Opel schlägt Mercedes - ein Unding!"

Källenius muss mit einem Sparprogramm die Erblasten seines Vorgängers Dieter Zetsche bewältigen. Mitte November hatte der Schwede angekündigt, die Personalkosten bis Ende 2022 um rund 1,4 Milliarden Euro zu senken. Mercedes-Benz Cars würde nach seinem Plan dennoch in den kommenden Jahren bei nur fünf Prozent Rendite herumkrebsen. Bis 2022 werden mehr als 10.000 der weltweit zuletzt gut 300.000 Stellen gestrichen. "Das im November aufgelegte Sanierungsprogramm dürfte schon bald erweitert werden", erklärte Frank Schwope, Autoexperte der Norddeutschen Landesbank. "Gegenwärtig ist mehr denn je Fahren auf Sicht angesagt."