Ihr Generaleindruck: Was ist vom türkis-grünen Pakt zu halten?
MARTIN KOCHER: Er enthält das Machbare, viele gute Details. Man merkt, dass die Partner weit voneinander entfernt gestartet sind, sodass es oft wenig klare Aussage gibt. Gute Ansätze gibt es bei Wissenschaft und Entbürokratisierung sowie der Steuerentlastung. Aus wirtschaftspolitischer Sicht wird das Budget der Test für die Regierung sein und nicht so sehr, was im türkis-grünen Regierungsprogramm steht.

Sebastian Kurz und Werner Kogler halten am Ziel einer geringeren Staatsschuldenquote fest, lockern aber das Dogma Nulldefizit mit dem Verweis auf die Klimainvestitionen auf?
Das kann man so richtig interpretieren, aber man will sich an EU-Regeln halten. Das lässt nur einen begrenzten Spielraum für Schuldenaufnahme zu, da reden wir von etwa einer Milliarde Euro. Man hält am Nulldefizit fest, sagt aber nicht, wie daneben Investitionen und Steuerreform finanziert werden sollen.

Lässt die derzeitige Konjunkturlage die Senkung der Lohnsteuerstufen schon 2021 zu?
Dabei geht es um eine Summe von 3,5 Milliarden Euro, das lässt sich auf jeden Fall machen. Wir haben einen Budgetüberschuss, der bei strengem Budgetvollzug und dank der kalten Progression noch steigt. Aber ein Problem wird alles darüber hinaus – die Erhöhung des Gewinnfreibetrages, die höhere Agrarförderung und vor allem die geplante Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 21 Prozent. Die allein kostet rund 1,5 Milliarden Euro.

Die Senkung der Körperschaftsteuer kommt gar nur in Etappen?
Darüber steht nichts im Programm. Wir werden im April ein Doppelbudget bekommen und darin werden die KöSt-Senkung und die CO2-Bepreisung als die beiden heißeren Eisen wahrscheinlich auf 2022 verschoben werden.

Welcher CO2-Preis wird erwartet?
Das Beispiel Deutschland ist nicht so schlecht, obwohl es etwas mutlos begonnnen hat bei 25 Euro je Tonne CO2, für später hat man 55 Euro im Kopf. Den Grenzausgleich mit CO2-Zöllen für billiger belastete Importe ist technisch schwierig. Das könnte eine CO2-Bepreisung in der EU blockieren. Von Türkis-Grün gibt es ein klares Bekenntnis, aber wie es im Detail aussieht, ist offen.

An Steuerbegünstigung des 13. und 14. Bezuges hält man fest, aber auch an der kalten Progression. Da lacht der Finanzminister.
Mit Hinweis auf eine Prüfung schiebt man die Abschaffung erneut auf. Ich finde, sie hat auch Vorteile. Sie eröffnet die Chance auf eine Steuerstrukturreform mit Neukodifizierungen wie angekündigt.

Wo spürt man die Ideologieklüfte?
Zu Bildung steht nicht viel im Programm, weil die Positionen weit voneinander entfernt sind. Man muss aber für Fachkräfte mehr machen und den Arbeitsmarkt auch für ältere Arbeitnehmer attraktivieren – anstatt Frühpensionierungen. Man scheut eine Pensionsreform, weil sie unpopulär ist. Das ist aber langfristig problematisch.