Ja, sagt Stephan Schulmeister. Der Staat sollte sogar ein Monopol auf jene Dienstleistungen und Waren haben, die Suchtverhalten  fördern, meint er. So könne Politik die Auswirkungen dämpfend beeinflussen.

"Darf der Staat Casinos betreiben? In der Antwort auf diese Frage möchte ich weiter gehen: Der Staat soll sogar ein Monopol auf jene Dienstleistungen und Waren haben, die Suchtverhalten fördern. Denn dadurch kann die Politik Kosten und Ausbreitung von Suchtmitteln besser und vor allem dämpfend beeinflussen, während Tabak-, Alkohol- oder Glücksspielkonzerne eine Ausweitung des Suchtverhaltens forcieren, durch Werbung ebenso wie durch Lobbying, etwa um Automatenlizenzen.

Das frühere staatliche Monopol bei Tabak, Alkohol und Glücksspielen war eingebunden in eine Gesellschaftsordnung, in der man nach einer Balance strebte, zwischen individueller Entfaltung und sozialem Zusammenhalt: Die individuelle Freiheit zu Suchtverhalten wurde durch Regulierungen und höhere Kosten eingeschränkt, nicht zuletzt, weil Alkoholismus, Spielsucht und sonstige Drogenabhängigkeiten auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigen. Dazu kam die pragmatische Einsicht: Wenn Suchtmittel durch private Unternehmer angeboten werden, werden Letztere versuchen, die Abhängigkeiten zu verstärken, denn das erhöht den Gewinn.

"Neoliberalisierung von Wirtschaft und Werten

Seit den 1970er-Jahren hat jene Weltanschauung an Einfluss gewonnen, für die die individuelle Freiheit das höchste Gut ist, das nur eine freie Marktwirtschaft gewährleisten kann. Also wurden nicht nur die Finanzmärkte als Orte kapitalistisch verfeinerter Spielsucht liberalisiert, sondern auch die Suchtmittelmonopole des Staates abgeschafft. Es sei eine Anmaßung, die Freiheit der Bürger, ihr Glück im Spiel zu suchen, einzuschränken. Die "Neoliberalisierung" von Werten und Wirtschaft hat immer mehr gestresste, unzufriedene, zukunftsängstliche und verbitterte Menschen hervorgebracht und damit auch die Sehnsucht nach Glück im Spiel wachsen lassen. Daher boomen Glücksspielkonzerne.

Konzerne bestimmen die Quoten bei Automaten

Die größten Gewinne von kleinen Leuten erzielen sie mit Automaten. Während die Auszahlungsquote beim klassischen Roulette bei 97 Prozent liegt, können Konzerne die Quoten bei Automaten selbst bestimmen. Hätte der Staat wieder ein Glücksspielmonopol, dann könnte er all diese Lokale des betrügerischen Glücks schließen, für die kleineren Leute gäb’s weiter "6 aus 45" und das Toto, für die weniger kleinen ein paar Casinos. Aber wie retro ist denn das: die Freiheit der mündigen Bürger beschränken und ihre Konsumentensouveränität gleich dazu! Zum Abschluss ein Trost: Im Vergleich zu den Opfern der Finanzcasinos ist die Zahl der Opfer von Glücksspielkonzernen klein, es sind höchstens ein paar Millionen."

Stephan Schulmeister
Stephan Schulmeister © APA/HERBERT PFARRHOFER

Nein, sagt Franz Schellhorn. Die Lösung für das Problem politischer Einflussnahme sei nicht ein U-Ausschuss, sondern die komplette Privatisierung. Der Staat habe in den Casinos nichts verloren.

"So gut wie ganz Westeuropa kriegt es mittlerweile hin, nur Österreich nicht: fähige und gleichermaßen "verlässliche" Personen mit der Führung staatlicher Unternehmen zu betrauen. Oder haben Sie schon einmal davon gehört, dass es ein schwedischer Bezirkspolitiker ohne die nötige Qualifikation in den Vorstand eines Staatsunternehmens geschafft hat? Oder ein deutscher Kreispolitiker? Eben. Das gibt es nur in Österreich.

Einfluss der Politik auf öffentliche Unternehmen gibt es überall. Das ist auch gut so, denn der Eigentümer kann und soll sich seiner Verantwortung auch nicht entziehen. Ziemlich österreichisch ist es, wie aktuell immer öfter zu hören ist, dass der Fall Casinos Austria eigentlich gar kein "Fall" sei. Schließlich sei das schon immer so gelaufen. Stimmt, macht die Sache aber nicht wirklich besser. Zumal das Problem ja nicht erst mit einem angeblichen Gesetzes-Deal entsteht, der mit der Postenbesetzung in Zusammenhang stehen soll.

Privatisierung als Lösung für das Problem

Das Missverständnis beginnt früher: und zwar im Glauben, dass Politiker die Interessen der Parteien in den staatlichen Unternehmen zu vertreten hätten. Das haben sie aber nicht, sie haben sicherzustellen, dass die Interessen des Eigentümers vertreten werden – und das ist immer derselbe: die Republik, unabhängig vom Wahlausgang.

Erfreulicherweise gibt es für das Problem politischer Einflussnahme in die Vorstandsbestellung von Staatsbetrieben eine gleichermaßen einfache wie sichere Lösung: Die Rede ist nicht von der Einsetzung eines parlamentarischen U-Ausschusses, den alle Parteien wollen. Sondern von der kompletten Privatisierung. Zumal ja niemand schlüssig erklären kann, warum der Staat ausgerechnet an Spielcasinos beteiligt sein soll. Gehört es etwa zur Daseinsvorsorge?

Gegner eines vollständigen Rückzugs des Staates führen gerne die Eindämmung der Spielsucht ins Treffen. Diese sei nur unter Kontrolle zu bringen, wenn in staatlichen Casinos gezockt wird. Eine ziemlich steile Argumentationslinie, der zufolge nur der Rückkauf der Austria Tabak durch den Staat einen Schutz gegen die Nikotinsucht bieten kann. Vielleicht sollte sich die öffentliche Hand auch gleich an Schnapsfabriken beteiligen, schließlich wird nur in drei Ländern der Welt mehr gesoffen als hierzulande.

Das ist lächerlich, der Staat hat in den Casinos nichts verloren. Als Eigentümer hat er ein vitales Interesse am florierenden Geschäft an den Spieltischen, als Regulator ist das genaue Gegenteil der Fall. Dieser Zielkonflikt ist rasch aufzulösen – und das geht nur über einen vollständigen Rückzug der öffentlichen Hand."

Franz Schellhorn
Franz Schellhorn © Agenda