Aus Sorge über einen befürchteten "Mega-Rausschmiss" in der Auto- und Zulieferindustrie haben sich in Stuttgart am Freitag zahlreiche Beschäftigte zu einem Aktionstag versammelt. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die IG Metall Baden-Württemberg. Angesichts der Konjunkturflaute fordern Arbeitnehmer und Arbeitgeber in dem Bundesland gemeinsam flexiblere Angebote für Kurzarbeit und mehr Qualifizierung.

Mit ihrem Aktionstag fordert die deutsche IG Metall von den Automobilkonzernen und ihren Zulieferern, "Zukunftsperspektiven" zu entwickeln, "statt den Rotstift anzusetzen". Es dürfe "keinen rücksichtslosen Abbau von Arbeitsplätzen" oder eine Verlagerung von Produktionsstandorten "unter dem Deckmantel des technologischen Wandels" geben.

Job- und Standortsicherung gefordert

Die Branche steht derzeit wegen des Trends hin zum Elektromotor und der fortschreitenden Digitalisierung unter wachsendem Druck. Viele Unternehmen sind deshalb unter Zugzwang, sich neu aufzustellen. Im Zuge dessen haben die großen Zulieferer Bosch und Continental Stellenstreichungen angekündigt, was wiederum Folgen für kleinere Zulieferbetriebe hat. Auch der Autobauer Daimler will Personalkosten einsparen und dafür Jobs abbauen, unter anderem im Management.

Die IG Metall pocht nun vor allem darauf, in den Transformationsprozess mit eingebunden zu werden. Nötig seien zudem "belastbare Zusagen zu Beschäftigungssicherung und der Zukunft von Standorten" und eine "nachhaltige, ökologische Zukunft unserer Industrie". Zudem fordert die Gewerkschaft mehr Unterstützung der Politik bei Fort- und Weiterbildung, um die Arbeitnehmer für den Strukturwandel in der Branche besser zu wappnen.

"Schutz und Chancen im Wandel"

Die SPD-Bundestagsfraktion verwies angesichts dessen darauf, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) "zeitnah" sein "Arbeit-von-Morgen-Gesetz" für mehr Weiterbildung und Qualifizierung vorlegen werde, das Arbeitnehmer in einer Konjunkturkrise vor dem Jobverlust schützen soll. "Wir wollen Schutz und Chancen im Wandel", erklärte Fraktionsvize Katja Mast. "Den Aktionstag unterstützen wir von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion voll und ganz."

Eine kurzfristige Erholung von der derzeitigen Flaute erwarten indes weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer in Baden-Württemberg - vor allem wegen der schwierigen außenwirtschaftlichen Situation für exportorientierte Unternehmen durch den Handelsstreit zwischen China und den USA und den Brexit. Daher sollten nun rasch Maßnahmen umgesetzt werden, mit denen schon in der Krise 2009 gute Erfahrungen gemacht worden seien, heißt es in einer Forderung an Arbeitsminister Heil, über die am Freitag zunächst die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet hatte.

So könne die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von zwölf auf 24 Monate verlängert werden, heißt es darin. Angeschlossen haben sich dieser Forderung auf Initiative von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) unter anderem der Arbeitgeberverband Südwestmetall, der Maschinenbauerverband VDMA und auch die IG Metall.

Das Kurzarbeitergeld soll Unternehmen in wirtschaftlich schlechteren Zeiten bei den Personalkosten entlasten und zugleich dabei helfen, dass trotz sinkender Aufträge keine Stellen gestrichen werden und Mitarbeiter im Betrieb bleiben können. Den Verdienstausfall durch kürzere Arbeitszeiten für die Arbeitnehmer gleicht zu rund zwei Dritteln die Bundesagentur für Arbeit aus.

VDA-Chef: 70.000 Jobs weniger wegen E-Autos

Der Autolobbyist Bernhard Mattes rechnet unterdessen damit, dass die Umstellung auf Elektroantriebe die Autobranche in Deutschland Zehntausende Jobs kostet. "Wir gehen davon aus, dass etwa 70.000 Stellen wegfallen", sagte der scheidende Präsident des Verbands der Automobilhersteller (VDA) dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Bereits jetzt müssten die Mitarbeiter der Branche für den Bau der neuen E-Autos qualifiziert werden, "nicht erst, wenn die E-Mobilität einen hohen Anteil erreicht". Erst kürzlich war bekannt geworden, dass der US-Elektroauto-Hersteller Tesla nahe Berlin eine Großfabrik bauen will. Bis zu vier Milliarden Euro wolle der Konzern investieren. In verschiedenen Schritten sollen dort mehrere Tausend Arbeitsplätze entstehen.

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte die Job-Euphorie aber bereits früh gedämpft: Die Zahl der Stellen in der künftigen Fabrik solle man nicht überschätzen. "Zellfabrikation ist hochautomatisiert. Da zählen Energiekosten deutlich mehr als Arbeitskosten", hatte der Autofachmann Mitte November nach Bekanntwerden des Standorts gesagt.