Wenn Vizebürgermeisterin Birgit Hebein heute den letzten Pflasterstein in die neue Rotenturmstraße einpflanzt, sei ihr dabei mehr Glück vergönnt, als ihre Vorgängerin hatte. Als Maria Vassilakou nämlich vor vier Jahren feierlich den Schlussstein der neu gestalteten Mariahilfer Straße verlegen wollte, stürzte der vom Saugnapf des Baggers und zerbrach. Erst beim zweiten Versuch klappte es.

Dass es manchmal mehrere Anläufe braucht, bevor man einen Erfolg verbuchen darf, hat die rot-grüne Stadtregierung schon mehrmals gezeigt – unter anderem bei Begegnungszonen in Einkaufsstraßen. Der Umbau der Mariahilfer Straße beschäftigte die Stadt jahrelang. Es wurde getestet, verworfen, befragt, erklärt, debattiert und sogar um den Koalitionsfrieden gerungen.

Ab morgen ist die Stadt um eine Begegnungszone reicher: Auf der Rotenturmstraße in der Wiener Innenstadt verschmelzen Gehsteig und Fahrbahn, Fußgänger können die ganze Straße benutzen, Autos und Busse dürfen nur maximal 20 km/h fahren. Auch beim Umbau der Rotenturmstraße gab es Kritik, vornehmlich von der ÖVP, die auch im Gemeinderat gegen das Projekt stimmte. Bezirksvorsteher Markus Figl kritisierte, dass Parkplätze verloren gehen und Auswirkungen auf die umliegenden Straßen nicht erhoben wurden. Eine Proteststurm wie damals, bei der Mariahilfer Straße, blieb aber aus.

Wohl auch, weil man in der Stadt dazu gelernt hat:

Über die Einbindung: Obwohl das Mitspracherecht der Anrainer vielen auch bei der Rotenturmstraße nicht weit genug ging – Bezirksvorsteher Figl spricht von einer „vergebenen Chance, Betroffene zu Beteiligten zu machen“ –wurden diesmal mehr Interessen berücksichtigt. Die Geschäftstreibenden wünschten sich etwa eine Neuordnung der Schanigärten und eine gute Erreichbarkeit der Anliegen, das wurde umgesetzt.

Über die Planung: Mitte November, also pünktlich vor dem großen Weihnachtsansturm, wollte man fertig sein. Diesmal wurde der Zeitplan eingehalten. Gebaut wurde seit Anfang Juni, fertig gestellt wurde zügig und termingerecht.

Über den Nutzen: Das wohl stärkste Argument, das auch frühere Begegnungszonen-Kritiker überzeugte, lieferte der Wiener Standortanwalt Alexander Biach. Der ließ berechnen, wie sich Einkaufsstraßen wirtschaftlich rechnen. Anhand der kürzlich abgeschlossenen Neugestaltung von Stephansplatz und Herrengasse und der Umbauarbeiten in der Rotenturmstraße zeigte sich: Schon während der Bauphase fließen zwei Drittel der Investitionen als Steuern und Abgaben wieder in die Stadtkasse zurück. Der Handel profitiert massiv von den Fußgängern, die auf Einkaufsstraßen spazieren gehen. Im Schnitt bringt jeder Passant rund 27 Euro Umsatz.


Die Rotenturmstraße ist daher nur eine von mehreren neuen Begegnungszonen Wiens. Nächsten Montag eröffnet die neu gestaltete Otto-Bauer-Gasse in Mariahilf. Der siebente Bezirk bekommt im nächsten Jahr mit der Neubaugasse und einem Teil der Zollergasse gleich zwei neue Begegnungszonen, und auch im 22. Bezirk werden zwei Straßen in der Seestadt Aspern umgestaltet. Überlegt wird auch eine Zone für die Schelleingasse in der Wieden.

Biach wünscht sich von der Stadt sogar noch mehr: In allen 23 Bezirken soll es mindestens eine Begegnungszone geben, die Stadt soll pro Jahr jeweils eine Million Euro dafür zahlen. Biach ist übrigens weder SPÖ- noch Grünen-nahe, sondern stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer. Mit diesem Schulterschluss steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Birgit Heben eine routinierte Schlusssteinlegerin wird.