Es entbehrt nicht einer gewissen Symbolik, wenn sich ein ehemaliger ÖVP-Chef und die Industriellenvereinigung (IV) ausgerechnet am ersten Tag der Koalitionssondierungen massiv für mehr kontrollierte Zuwanderung starkmachen. Österreich habe langfristig das strukturelle Problem einer alternden Bevölkerung und Fachkräftemangel. Laut Fachkräfteradar der Wirtschaftskammer lag der Bedarf zuletzt bei 162.000 zusätzlichen Mitarbeitern.

„Wir brauchen eine Vision und Strategie für qualifizierte Zuwanderung“, so IV-Präsident Georg Kapsch. „Zuwanderung gestalten statt verwalten bedeutet einen wirklichen Paradigmenwechsel.“

Ausbildungszentren im Ausland

Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger hat die Gegenstrategie zum bisherigen türkis-blauen Kurs ausarbeiten lassen. Er liefert auch ein Beispiel, wie qualifizierte Zuwanderung funktionieren könnte: In Nigeria zieht Spindelegger mit fünf österreichischen Unternehmen sowie Firmen aus der Schweiz und Dänemark einen Industriepark mit Ausbildungsstätten und einem Start-up-Center auf.

Spindelegger, der viele Jahre Außenminister war, ist heute Chef des internationalen Entwicklungszentrums für Migrationspolitik (International Center for Migration Policy Development, ICMPD). Das Projekt in Enugu soll über die Europäische Investitionsbank finanziert werden. Gelingt das, wird Enugu Vorbild für Kooperationsabkommen anderer EU-Länder mit Staaten Afrikas. „Man muss Zuwanderung auf betriebliche Ebenen herunterbrechen“, so Spindelegger.

Sachliche Debatte

Zum einstigen türkis-blauen Regierungskurs und seinen Erwartungen will er sich nicht äußern, sagt jedoch: „Dafür haben wir die Studie gemacht, um die Debatte auf eine sachliche Ebene zu heben und Emotionen herauszuhalten.“

Kapsch nennt daraus einige Punkte: Österreich als Technologieland positionieren und Zielland stärken. Die EU mit nur vier Prozent Binnenmigration sei dafür die erste Adresse. Sozialversicherungsansprüche solle man mitnehmen können.
Die nicht erfolgreiche Rot-Weiß-Rot-Card gehöre entbürokratisiert, fordert Kapsch. Er plädiert für ein Revival des Staatssekretariates für Zuwanderung und Integration. Sein schlichtester Wunsch an die Politik: „Wir brauchen einfach wieder ein sympathischeres Auftreten.“