2030 – das Jahr, in dem der persönliche Autobesitz endgültig gestorben ist“. Oder: „CO2-Kosten: Wer soll das bezahlen?“ Oder: „Brauchen wir noch ein eigenes Auto? Wem gehört die Stadt? Wie grün ist das E-Auto wirklich?“ Klingt nach einem Selbsterfahrungsseminar für Autoskeptiker, ist es aber nicht. Es ist die Autobranche, die sich mit diesen Fragen irgendwie selbst seziert und dabei mit ihren Gegnern ins Gespräch kommen will. Bis Sonntag werden genau diese Themenstellungen an einem Ort diskutiert, wo jahrzehntelang hauptsächlich PS zählten, Besucher vorwiegend Benzin im Blut hatten und kein Auto groß und glänzend genug sein konnte: auf der internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA). Und diese Messe, deren Existenz von Autoherstellern infrage gestellt wird, definiert sich vorsichtshalber auch schon einmal neu: Man sei kein glitzerndes Autohaus mehr, sondern ein Ökosystem der Mobilität. Man könnte auch sagen: Der Lack ist ab.

Immerhin verweigern sich rund zwei Dutzend Hersteller der IAA. Wer an den Pressetagen über das Messegelände ging, spürte die Verunsicherung. Die Selbstgeißelung der Branche, deren Wurzeln in einer noch immer nicht ganz aufgearbeiteten Dieselaffäre liegen, ist ein später Kniefall.

Teil des Problems, Teil der Lösung

Die Zukunft der Autoindustrie zwischen drohenden CO2-Strafzahlungen und einem nur schwer auszurechnenden Weltmarkt scheint alles andere als rosig zu sein. Vor allem China, der größte Automarkt der Welt, wankte zuletzt. Brexit und Welthandelsstreit sind weitere Angstgegner einer Industrie, die einst von Träumen lebte, jetzt mit der Realität kämpft und sich neu erfinden muss.

Die IAA zeigt, wie weit man dabei gekommen ist. Angesichts der Ergebnisse würde der Branche ein bisschen mehr Selbstvertrauen guttun. Klar, man ist Teil des Problems, aber auch die Lösung. Die E-Mobilität gilt als ein Heilsbringer, in unterschiedlichen Ausprägungen.
Volkswagen hat den Umkehrschub aktiviert, den Verbrenner zum baldigen Auslaufmodell erklärt. Man zeigt mit dem ID.3 ein „Volks-Elektroauto“, den Ersten einer ganzen Familie und einer Reihe von E-Autos im Konzern. Bei 30.000 Euro liegt der Startpreis. Opel stromert mit dem Corsa Electric zur IAA (Preis ab 29.999 Euro). BMW und Mercedes legen neben E-Autos Plug-in-Hybride nach, selbst Land Rover bringt einen Plug-in-Defender, und Porsche fährt mit elektrischem Taycan in die Zukunft. Ein neues Lieblingswort der Branche heißt „CO2-Neutralität“, von der Produktion beginnend, inklusive Klimaschutzprojekten.

Das Auto soll also durch und durch elektrisch werden. Vor allem, wenn es nach dem Volkswagen-Konzern geht. Cheflenker Herbert Diess geht davon aus, dass in zehn Jahren fast jedes zweite Auto elektrisch fahren wird.

Viele Debatten rund um die E-Zukunft

Dieser Enthusiasmus wird in der Branche freilich argwöhnisch beobachtet. Diess riskiert alles: Geht sein Plan nicht auf, kommt der Konzern zwangsläufig in Schieflage. Die Variablen sind beträchtlich: Bauen die klammen Staaten und Kommunen das Ladenetz nicht entsprechend auf, wird sich der E-Auto-Boom in Grenzen halten. Dazu kommen Debatten um Reichweiten, Ladezeiten, Strompreise und Rohstoffe. Und stimmen letztlich die Verkaufszahlen nicht, drohen Strafzahlungen, weil vorgegebene CO2-Emissionswerte nicht erreicht werden. Damit wäre man doppelt bestraft, weil man Milliarden in die E-Mobilität investiert hat. Das Problem trifft alle Marken.

PSA-Manager Carlos Tavares (Peugeot, Citroën, Opel) sagte deshalb in Frankfurt: „Ich wäre überrascht, wenn wir angesichts des Ausmaßes der bevorstehenden Veränderung nicht ein paar Insolvenzen sehen würden.“ Renault-Chef Thierry Bolloré zieht die Preisdiskussion an: Er erwartet, dass in Europa in wenigen Jahren ein Elektroauto um 10.000 Euro zu haben sein wird. „Es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt“, freilich mit geringerer Reichweite. Diess wiederum plädiert für Steuererleichterungen und weitere staatliche Kaufanreize.