Dird es „Draghis letztes Feuerwerk“, ladet der scheidende Ratsvorsitzende der Europäischen Zentralbank (EZB) heute tatsächlich noch einmal die „geldpolitische Bazooka“ durch? Seit Wochen ist die EZB-Zinssitzung in Frankfurt Gegenstand intensiver Spekulationen. Offiziell ist es die vorletzte Ratssitzung, die von Mario Draghi geleitet wird – Anfang November wird dann die frühere IWF-Chefin Christine Lagarde die Position als oberste Währungshüterin der Euro-Zone übernehmen.

Allgemein wird heute eine deutliche Weichenstellung hin zu einer noch expansiveren Geldpolitik durch die EZB erwartet. Bereits bei der letzten EZB-Ratssitzung vor gut sieben Wochen hieß es: Angesichts der weltweiten Konjunkturabkühlung und der Schwäche des Welthandels seien „signifikante geldpolitische Impulse“ notwendig, wie Draghi ausführte. Es wird erwartet, dass die Zentralbank die Strafzinsen weiter ausdehnen wird. Derzeit sind Banken, die Geld bei der Notenbank parken, mit einem negativen Einlagensatz von 0,4 Prozent konfrontiert. Nun soll eine weitere Absenkung auf minus 0,5 Prozent oder sogar minus 0,6 Prozent bevorstehen. Das Ziel: Banken sollen das Geld nicht horten, sondern in Form von Krediten an Unternehmen und Konsumenten weitergeben.

"Ursache des Abschwungs auf der politischen Ebene"

Doch hier mehren sich die Zweifel und die Fragen nach der Sinnhaftigkeit. Denn die Ursachen für die konjunkturelle Eintrübung liegen nicht in den Kreditkonditionen oder in der Bereitschaft der Geldhäuser, Kredite zu vergeben. „Die Finanzierungskonditionen sind extrem gut, sie sind nicht die Ursache des Abschwungs, wie wir alle wissen. Die Ursache des Abschwungs findet auf der politischen Ebene statt“, betont Peter Brezinschek, Chefökonom der RBI, unter Verweis auf Brexit und Handelskonflikte.

"Dafür steigen die Risiken"

Auch Josef Obergantschnig, Chefinvestor der Security KAG, spricht von einem „definitiv fragwürdigen Effekt“ einer weiteren geldpolitischen Lockerung. Die Gefahr von Nebenwirkungen würde jene der potenziellen Wirkungen übertreffen, „aber dafür steigen die Risiken“, so Obergantschnig.

Debattiert wurde zuletzt auch darüber, ob es zu einer Staffelung des Strafzinses kommen könnte, um die Belastungen aus dem Negativzins für die Kreditwirtschaft zumindest etwas abzufedern. Insgesamt habe die EZB „zu lange zugeschaut und die Kehrtwende verabsäumt“, so Obergantschnig. Mittlerweile sei ein Geldwerterhalt für Anleger ohne Risiken nicht mehr möglich.

Comeback des Anleihenkaufprogramms?

Neben einer Verschärfung der Strafzinsen könnte der EZB-Rat auch das Anleihenkaufprogramm wiederaufnehmen. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB rund 2600 Milliarden Euro in Anleihen, seit Jänner werden keine neuen Anleihen mehr zugekauft, das könnte sich nun wieder ändern. Es wurde sogar darüber spekuliert, ob die EZB künftig auch auf dem Aktienmarkt tätig werden könnte.

Mit Robert Holzmann wird heute übrigens erstmals der neue Gouverneur der Österreichischen Nationalbank an einer EZB-Ratssitzung teilnehmen. Er wolle im EZB-Rat „eine etwas kritischere Haltung gegenüber den Vorschlägen einer weiteren monetären Vertiefung“ einnehmen, hatte dieser rund um seinen Amtsantritt im Ö-1-Gespräch betont.