ÖBB-Konkurrent Westbahn sieht sich bei jüngsten Vergaben von Bahn-Leistungen durch das Verkehrsministerium benachteiligt und geht nun strafrechtlich dagegen vor. Angriffspunkt ist die im Ibiza-Video gefallenen Aussage, dass "der Haselsteiner" keine Aufträge mehr bekommen werde, wenn die FPÖ in die Regierung komme. Das Unternehmen hat daher eine Untreue-Anzeige gegen Unbekannt eingebracht.

Der Industrielle und NEOS-Financier Hans Peter Haselsteiner hält an der Westbahn 49,9 Prozent. Nachdem das 2017 getätigte Ibiza-Zitat des inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache ruchbar geworden war, ließ er alle Vergabeverfahren prüfen, die seine Firmen und Beteiligungen betreffen, schilderte Westbahn-Geschäftsführer Erich Forster in einer Pressekonferenz am Freitag.

Angebote negiert

Für das Bahnunternehmen liegt das Privatgutachten der Kanzlei Heid & Partner jetzt vor, und es sieht durchaus Unregelmäßigkeiten, wie deren Vergaberechtlerin Kathrin Hornbanger ausführte. Die Conclusio: Auch wenn in diesem Bereich Direktvergaben bis Ende 2023 gemäß EU-Recht erlaubt sind, hätten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Vergleichsangebote eingeholt werden müssen, was aber nicht passiert sei. Die Vergaben seien daher gesetzes- und verfassungswidrig erfolgt, und es gebe eine persönliche Verantwortung von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) dafür. Hofers Vorgänger Jörg Leichtfried (SPÖ) ist aus Westbahn-Sicht aus dem Schneider, weil die betreffenden Vergaben sämtlich im Jahr 2018 erfolgten.

Initiativangebote der Westbahn seien einfach negiert worden, obwohl man für Vorarlberg um 25 Millionen Euro günstiger angeboten habe und in Oberösterreich und Salzburg die ÖBB um zehn Prozent unterboten hätte, so Hornbanger. Forster rechnete vor, dass bei Einrechnung des auf zehn Jahre abgeschlossenen Verkehrsdienstevertrags für den Bund rund 1,5 Mrd. Euro einzusparen wären.

Anzeige gegen Unbekannt

Aufgrund all dessen haben die Rechtsanwälte der Westbahn Freitagfrüh Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erstattet, und zwar gegen unbekannte Tatverdächtige wegen Untreue. Dies deshalb, weil man die internen Zusammenhänge und Hintergründe im Ministerium nicht kenne, so Forster. Klar sei aber, dass 2018 die FPÖ bereits die entsprechenden Amtsträger gestellt habe.

Dass der Konnex zu Ibiza vielleicht eine gewagte Annahme sei, weil ja auch schon früher direkt an die ÖBB vergeben wurde, wiesen beide zurück. Heute würden andere Voraussetzungen als vor zehn Jahren gelten, und die Direktvergabe-Ausnahme laufe 2023 aus, so Forster.

Zur Frage, ob er beim nunmehrigen designierten FPÖ-Chef Hofer einen Vorsatz erkenne, die Westbahn nicht zum Zug kommen zu lassen, sagte der Geschäftsführer: "Für uns ist es zumindest sehr eigenartig, wie die Dinge abgelaufen sind." Es sei möglich, "dass Dinge nicht einflussfrei gelaufen sind". Die WKStA müsse dies nun klären.

Gesetzeswidrige Vergabe

Fazit von Kathrin Hornbanger von der Kanzlei Heid & Partner: Die Vergaben seien gesetzes- und verfassungswidrig erfolgt, und es gebe eine persönliche Verantwortung des Verkehrsministers (Norbert Hofer/FPÖ) dafür.

Die Begründung: Initiativangebote der Westbahn seien nicht geprüft worden, Vergleichsangebote wurden nicht eingeholt. Außerdem sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden. Zudem stelle sich die Frage, ob das BMVIT nicht auch gegen ressortinterne Richtlinien verstoßen habe. Die Rede ist von einem ungenutzten Einsparungspotenzial von 1,5 Mrd. Euro. Dies habe auch "dem verkündeten Reformwillen der damaligen Bundesregierung unter Sebastian Kurz" klar widersprochen.

Persönliche Verantwortung von Hofer

Die Vergaberechtlerin sieht "eine persönliche Verantwortung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ad personam". Das Ressort habe gegen die gesetzliche Vorgabe der Gesetzmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen, und der Minister sei persönlich dafür verantwortlich, weil er gemäß Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz den entsprechenden Verträgen vorab zuzustimmen habe.

Gleich zu Beginn räumt die Juristin ein, dass noch bis Ende 2023 eine Ausnahmebestimmung zur entsprechenden EU-Verordnung gilt, die es dem Bund ermöglicht, Personenverkehrsleistungen auf der Schiene ohne Ausschreibung zu bestellen. Das Verkehrsministerium bedient sich dazu der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft (SCHIG), die Verkehrsdiensteverträge (VDV) abschließt.

Vergabe für zehn Jahre

Der aktuelle Vertrag des Bundes läuft mit Ende 2019 aus, und - das erzürnt die Westbahn - die SCHIG hat die Ausnahmebestimmung noch einmal genutzt, um bis dato sämtliche Verträge inklusive Fernverkehr (ausgenommen Salzburg, Oberösterreich und die Ostregion, wo die Vergaben noch ausständig sind) für weitere zehn Jahre an die ÖBB zu vergeben.

Aus Sicht der Juristin hätte aber auch bei solchen Direktvergaben Wettbewerb stattfinden müssen, denn laut EU-Verordnung gebe es Transparenzpflichten. Es sei ein "Initiativwettbewerb" herzustellen und zuzulassen, es habe Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu gelten. Die Westbahn habe dem Ministerium wiederholt Initiativangebote übermittelt, die eine Kostenersparnis von zehn bis 20 Prozent gebracht hätten. Diese seien aber ignoriert worden.

Die Rechtsanwältin verweist hier auch auf Empfehlungen des Rechnungshofs, der dem BMVIT bereits 2017 die Nutzung der Vorteile der wettbewerblichen Vergabe nahegelegt habe. Zudem erinnert sie an den Gleichbehandlungsgrundsatz und an OGH-Judikatur, wonach das wirtschaftlich günstigste Angebot auch den Zuschlag erhalten müsse.

ÖBB weisen Vorwürfe zurück

Sowohl das Verkehrsministerium als auch die ÖBB haben am Freitag die Vorwürfe der Westbahn in Bezug auf Direktvergaben zurückgewiesen. Beide stellten eine Benachteiligung des Unternehmens in Abrede und erinnerten an entsprechende Gerichtsentscheidungen. Höchst verärgert zeigte sich die FPÖ und stellte einen Konnex zum Nationalratswahlkampf her.

Das Verkehrsministerium (in dem mit Andreas Reichhardt nun der frühere Generalsekretär von Norbert Hofer/F an der Spitze steht) betonte in einer Aussendung, dass sich das Instrument bewährt habe und die Entscheidung zu 2018 besiegelten Direktvergaben schon 2016 bzw. 2017 unter dem damaligen Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) getroffen worden sei.

Festzuhalten sei auch, dass die Entscheidung für diese Direktvergaben im Ministerium nicht nur auf rechtlichen, sondern auch auf wirtschaftlichen Grundlagen erfolgt sei. Es sei mit Gutachten unterlegt worden, dass der Zuschlag an die ÖBB für die Steuerzahler die gesamtwirtschaftlich beste Lösung sei. Die Angemessenheit des Leistungsentgelts an die ÖBB sowie die effiziente Gestaltung der Verträge sei auch über externe Benchmarks und Gutachten sichergestellt worden.

Das BMVIT erinnerte auch daran, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Direktvergabe in Vorarlberg in allen Instanzen (bis zum Verwaltungsgerichtshof) bestätigt und sämtliche Einsprüche/Anträge der Westbahn ab- bzw. zurückgewiesen hätten. Genau daran erinnerten auch die ÖBB, die in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA die Westbahn-Position scharf zurückwiesen. "Die politische Diskussion über die Direktvergabe von Verkehrsdiensteverträgen ist vermutlich dem aktuellen Wahlkampf geschuldet, aber sollte nicht auf dem Rücken eines funktionierenden Bahnsystems ausgetragen werden", wurde erklärt.

Höchst erbost wegen der Kritik am geschäftsführenden FPÖ-Chef Hofer war dessen Partei. Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich in einer Aussendung "fassungslos über die Einmischung" von Westbahn-Miteigentümer und NEOS-Financier Hans Peter Haselsteiner in den laufenden Nationalratswahlkampf: "Seine Agitation nimmt schön langsam pathologische Züge an. Die heute via Westbahn vorgebrachten Vorwürfe entbehren jeder Grundlage - das wusste Haselsteiner freilich schon vorher, trotzdem nützt er jede Chance, um der FPÖ Schaden zuzufügen. Schon im Bundespräsidenten-Wahlkampf lieferte er mit der 'Kommt Hofer, kommt Öxit' - Kampagne den Tiefpunkt der Wahl-Auseinandersetzung."