Dass der Klimawandel in Österreich längst angekommen ist, zeigt der Blick auf die heimischen Äcker. Vor allem Sommergetreide leidet unter den zunehmenden Wetterextremen. Auch heuer waren die Nerven der Getreidebauern Ende April angespannt. Der Monat war viel zu trocken. Nur der ungewöhnlich nasse und kalte Mai konnte die Ernte retten, erklärt Franz Windisch, Verwaltungschef der Agrarmarkt Austria (AMA). Viele Landwirte reagieren inzwischen auf die neuen Witterungsbedingungen. „Kurzfristig hilft der Umstieg auf Wintergetreide“, erklärt AMA-Marktexperte Christian Gessl. Diese Sorten vertragen Trockenheit besser. So wird inzwischen auf rund 100.000 Hektar Wintergerste angebaut, 9000 mehr als noch 2018. Insgesamt werden heuer wohl 2,9 Millionen Tonnen Getreide geerntet werden – ohne Mais. Das ist ein Plus von zehn Prozent. Mit Mais werden es sogar fünf Millionen Tonnen.

Mix an Kulturen soll helfen

Der Wechsel auf bekannte Wintersorten sei eine mögliche Reaktion auf das veränderte Klima, bestätigt Anton Brandstetter, Geschäftsführer von Saatgut Austria. Ein anderer Weg werde im Projekt „Klimafit“ der staatlichen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) versucht. Hier sollen neue Sorten für Österreich entwickelt werden, die Phasen mit extremer Hitze und Trockenheit aushalten. „Wir haben es mit keiner linearen Veränderung zu tun“, sagt Brandstetter. „Es wird nicht einfach nur ein paar Grad wärmer, vielmehr steigt die Zahl der Wetterextreme.“ Die Landwirte seien deshalb gut beraten, einen Mix an Kulturen anzubauen. 

Wie sich das in der Praxis auswirkt, zeigt das Beispiel der Braugerste. Bis vor wenigen Jahren sei ausschließlich Sommerbraugerste zur Herstellung von Bier verwendet worden, erklärt der Saatgut-Profi. In den vergangenen Jahren sei es immer zu trocken gewesen, was zu einer schlechteren Qualität geführt habe. „Inzwischen gibt es immer mehr Winterbraugersten.“ Brauereien seien anfangs skeptisch gewesen. Schließlich sei Wintergerste jahrelang nur als Tierfutter angebaut worden. „Die Akzeptanz steigt langsam. In fünf Jahren wird 80 Prozent des heimischen Biers mit Winterbraugerste gebraut werden“, ist Brandstetter überzeugt.

Rekordzuwächse bei Bio-Getreide

Der Bioboom ist der zweite große Trend, den die AMA beim Getreide erkennt. Auf 183.000 Hektar wächst Bio-Getreide, um 29.641 Hektar mehr als im Vorjahr. Damit werden die Rekordzuwachsraten der Jahre 2017 und 2018 noch einmal übertroffen. Auf 20 Prozent der heimischen Äcker wächst inzwischen Biogetreide. Auch das hat mit dem Klimawandel zu tun. „Die Bio-Sorten halten die Wetterextreme besser aus“, erklärt AMA-Experte Gessl. Ein weiterer Vorteil: Durch den höheren Verkaufspreis wirken sich niedrigere Erträge nicht so drastisch aus wie in der konventionellen Landwirtschaft.

Nicht nur die Biolandwirtschaft legt zu. Eine weitere „Gewinnerin“ des veränderten Klimas ist die Sojabohne. Die eiweißreiche Hülsenfrucht bevorzugt wärmere Temperaturen und wird inzwischen auf 69.000 Hektar angebaut, Platz vier nach Mais, Weizen und Gerste. Das macht Österreich übrigens auch zum fünftgrößten Sojaproduzenten in der Europäischen Union.

Globale Nachfrage übersteigt Produktion

In der EU wird erwartet, dass die Getreideernte mit 310,2 Millionen Tonnen um 6,8 Prozent höher ausfällt als im trockenen Vorjahr. Die EU wird somit wieder zum Getreideexporteur. An Nachfrage wird es nicht mangeln, denn heuer dürfte der weltweite Getreideverbrauch die Produktion um rund 36 Millionen Tonnen überschreiten. Grund ist vor allem ein Rückgang der Maisproduktion in den USA. Mit Engpässen wird aber nicht gerechnet. Die weltweiten Lagerbestände sind mit 585 Millionen Tonnen gut gefüllt.