Sie scheiden mit Jahresende aus dem Hauptverband aus. Bedauern Sie die Entwicklung in der Sozialversicherung?
ALEXANDER BIACH: Die Struktur der fünf Träger habe ich begrüßt. Dass das Dach darüber, der Hauptverband, geschwächt wird, bedauere ich. Ich würde darauf wetten, dass man noch Korrekturen vornehmen wird.

Welche Korrekturen?
Ich denke, dass etwa das Rotationsprinzip beim Dachverband, wo sich die Spitzen abwechseln, geändert wird. Es ist wichtig, dass es ein Gesicht der Sozialversicherung gibt. Auch in vielen anderen Punkten – von der Selbstverwaltung bis zur Ausgabenbremse – ist man zu dem zurückgekommen, was ich vorgeschlagen habe. Und meine Meinung ist: Es braucht auch in Zukunft einen starken Dachverband.

Hat die frühere ÖVP-FPÖ-Regierung hier eine „Husch-Pfusch-Reform“ beschlossen?
Man hätte sich mehr Zeit in der Überleitung geben können. Es wäre auch gut gewesen, wäre die Reform mit den Sozialpartnern zusammen gestaltet worden. Ich hatte ein von Gewerkschaft und Arbeitgeberseite gemeinsam getragenes Konzept, das alle Punkte des Regierungsprogramms umgesetzt hätte.

Woran scheiterte Ihr Konzept?
Das Misstrauen gegenüber der Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft war zu groß und die Regierung hat dann in sehr kurzer Zeit das viele Seiten umfassende Gesetz selbst gebastelt. Das sieht heute eine starke Lenkung von außen vor. Das widerspricht meiner Grundidee der Selbstverwaltung. Ich hoffe, dass der Verfassungsgerichtshof hier Klarheit sprechen wird. Nur ein bisserl Selbstverwaltung gibt es nicht.

Sie glauben, die Selbstverwaltung wird wieder gestärkt?
Ich glaube, dass die Gerichte und künftige Regierungen die Selbstverwaltung stärken werden. Das ist ein System, für das man uns weltweit bewundert.

Reden wir übers Geld. Sie rechnen für heuer mit 83 Millionen Euro Defizit, 2018 gab es einen Überschuss von 260 Millionen.
2018 war ein sehr erfolgreiches Jahr. Das wird jetzt etwas anders werden. Weil wir Geld verlieren, das vom Gesetzgeber gekürzt wurde, wir weniger Rückerstattung haben und die Krankenkassen mehr in die Privatkrankenanstalten einzahlen. Zusätzlich haben wir hohe Nachzahlungen für die Spitäler, weil die Wirtschaftslage so gut war und die Beiträge gewachsen sind.

Fallen Kosten für die Fusion bei 62 Milliarden Euro Gesamtbudget überhaupt ins Gewicht?
Die Kosten werden heuer kein Budgetloch hineinschlagen. 2020 wird das virulenter, weil die Prozesse funktionieren müssen. Ich kann nur raten, darauf zu achten, dass man nicht auf die neun Gebietskrankenkassen noch eine zehnte draufsetzt. Und das ist die Gefahr. Mir 1. Jänner 2020 werden sie nicht alles so umstellen können, dass alles aus einer Hand ist, und eine gewisse Parallelstruktur haben. Langfristig muss es gelingen, das auf eine Kasse zurückzuführen. Das kann gelingen, die Frage ist, ob der Zeitraum nicht zu eng bemessen ist.

Sehen Sie die Milliarde an Einsparungen, die die Regierung in Aussicht stellte?
Interessant war die Ankündigung, dies dem Patienten auszuschütten. Das ist eine motivierte Ansage. Damit das greift, müssen sie zuerst die Gelder freibekommen. Wir haben überhaupt nur 500 Millionen Euro an Verwaltungskosten.

Bundesländer-Kassen beklagen sich über den neuen Überleitungsausschuss und damit verbundene zusätzliche Bürokratie.
Natürlich wird das System zentraler, das soll man nicht beschönigen. Das ist auch die Idee dahinter, aus neun Gebietskrankenkassen eine macht. Aber man wird weiterhin regional Entscheidungen treffen. Man wird etwa weiter regional die Ärzteverhandlungen machen müssen. Die Realität wird zeigen, dass man vor Ort Organisationen braucht, die auf die Menschen eingehen.

In Ihrem Stockwerk hat eine Reihe von Kommissären der politischen Parteien Platz genommen. Wie geht es Ihnen damit?
Mit den Überleitungsgremien ist es dicht gedrängt. Den Platz finde ich, auch, wenn es derzeit sehr viele Häuptlinge sind.

Sie schauen ÖGK-Obmann Matthias Krenn, der die Überleitung verantwortet, entspannt zu?
Es lastet ja extrem viel Druck auf ihn. Meine Bitte an ihn ist zu schauen, dass das sozialpartnerschaftlich und selbstbestimmt abgeht. Er weiß, er hält die Zügel selbst in der Hand.