Der türkische Zentralbankchef Murat Cetinkaya ist nach Differenzen mit der Regierung über die Zinspolitik seines Postens enthoben worden. Nachfolger sei sein bisheriger Stellvertreter Murat Uysal, heißt es in einem präsidialen Dekret, das am Samstag im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Ein Grund für die Abberufung wurde darin nicht genannt.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte immer wieder Zinssenkungen von der Zentralbank gefordert, um die türkische Wirtschaft anzukurbeln. Doch Cetinkaya hatte auf die Unabhängigkeit der Zentralbank verwiesen. Diese Differenzen hätten sich in den vergangenen Wochen verschärft, hieß es in Regierungskreisen. "Der Präsident und der Finanzminister haben seinen Rücktritt gefordert", sagte ein Insider. Doch Cetinkaya habe das abgelehnt.

Die Zentralbank teilte am Samstag mit, sie werde weiter unabhängig handeln. Der neue Notenbankchef sehe die Preisstabilität als das wichtigste Ziel an und werde sich in den kommenden Tagen auf einer Pressekonferenz äußern.

Notenbank

Dennoch sehen Banker die Glaubwürdigkeit der türkischen Notenbank in Gefahr. Die Absetzung Cetinkayas schüre Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank, sagte ein hochrangiger Banker aus Istanbul, der nicht namentlich genannt werden wollte. "Wir werden die Notenbank in der Zukunft genau beobachten."

Die Opposition warf der Regierung vor, die Notenbank als Geisel zu nehmen. "Die, die den Zentralbankchef über Nacht abgesetzt haben, haben das Recht verloren, Vertrauen in die Wirtschaft des Landes zu fordern", sagte Faik Oztrak, Sprecher der größten Oppositionspartei. Die türkische Regierung war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

Wirtschaft bricht ein

Die türkische Wirtschaft befindet sich mit einem Rückgang von 2,6 Prozent im ersten Quartal in einer Rezession, die türkische Lira verliert weiter an Wert, und die Inflationsrate ist hoch. Cetinkaya stand seit April 2016 an der Spitze der Notenbank und hat die Zinsen im vergangenen Jahr um insgesamt 6,25 Prozentpunkte auf 24 Prozent erhöht, um die schwächelnde Landeswährung zu unterstützen. Im Juni war die Inflationsrate allerdings auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr gesunken. Analysten halten es deshalb für möglich, dass die Zentralbank erstmals seit der Währungskrise die Zinsen senken könnte.