Und jährlich grüßt die Debatte um die Öffnungszeiten im Lebensmitteleinzelhandel. Frank Hensel, Vizepräsident des Handelsverbandes, einer freien Interessensvertretung, nahm die Präsentation einer Studie über die wirtschaftliche Bedeutung der Lebensmittelhändler zum Anlass, Weichenstellungen auf regulatorischer Ebene zu fordern. Dazu zählt die "Ausweitung der maximalen wöchentlichen Ladenöffnungszeiten von 72 auf 76 Stunden", das hätte eine "massive Beschäftigungswirkung für den heimischen Arbeitsmarkt" zur Folge und würde im Lebensmittelhandel ein Aufsperren von 7 bis 20 Uhr werktags und an Samstagen bis 18 Uhr ermöglichen.

Wirtschaftskammer bleibt beim Nein

Diese seit Jahren immer wieder vorgebrachte Forderung, für die sich vor allem der Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Penny, Bipa und Adeg) stark macht, stößt aber selbst im Handel auf Ablehnung. Die entsprechende Bundessparte der Wirtschaftskammer antwortete am Dienstag abermals mit einem klaren Nein.

Obmann Peter Buchmüller verweist im Gespräch mit der Kleinen Zeitung auf eine Umfrage der Wirtschaftskammer unter den Händlern im Jahr 2018: "Eine große Mehrheit ist mit den 72 Stunden zufrieden. Selbst die werden großteils nicht ausgenützt. Bei der Ausweitung auf 76 Stunden geht es um die Forderung eines großen Players, Rewe."

Auch Spar zeigt sich reserviert

Übrigens engagiert sich der Spar-Konzern, ebenfalls Mitglied im Handelsverband und bei den Marktanteilen im Lebensmitteleinzelhandel annähernd so groß wie Rewe, nicht für längere Öffnungszeiten: "Für uns ist die Regelung in Ordnung, wie sie jetzt ist", erklärt Sprecherin Nicole Berkmann wiederholt.

"Ich vertrete nicht nur die Großen, sondern 80.000 Handelsunternehmen in ganz Österreich", sagt Buchmüller. "Ich glaube nicht, dass längere Öffnungszeiten mehr Umsatz bedeuten. Es käme nur zu einer anderen Verteilung der Umsätze." Das würde vor allem kleine und mittlere Einzelhandelsunternehmen negativ treffen. Buchmüller, selbst Inhaber mehrerer Handelsstandorte, hält seine Filialen 70,5 Stunden in der Woche offen. "Das ist vollkommen ausreichend."

Peter Buchmüller
Peter Buchmüller © APA/HELMUT FOHRINGER

EU-Länder sind liberaler

Der Handelsverband verweist auf Anfrage der Kleinen Zeitung allerdings darauf, dass Österreich laut Europäischer Kommission in der EU "eine der umfangreichsten Beschränkungen der Öffnungszeiten" aufweise. Hensel widerspricht der Wirtschaftskammer: Das Konsumentenverhalten in den vergangenen 15 Jahren habe sich stark verändert. "Online-Shooping boomt, der Außer-Haus-Verzehr nimmt stetig zu. Vor diesem Hintergrund ist es vielen Lebensmittelhändlern, die eine flächendeckende Nahversorgung anbieten, ein Anliegen, eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten umzusetzen."

Hensel beteuert, dass sich das auf die Arbeitszeiten der Beschäftigten nicht auswirken würde. "Kein Mitarbeiter müsste dadurch längere Arbeitszeiten in Kauf nehmen, es würden aber zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen."

Hingegen hält Buchmüller längere Öffnungszeiten als Mittel gegen das Einkaufen im Netz nicht für geeignet. "Der Onlinehandel ist grundsätzlich ja nichts Schlechtes. Der stationäre Handel soll sich aber durch besseres Service und besser geschulte Mitarbeiter abheben."

Einig bei Tourismuszone für Wien

Einig zeigen sich Wirtschaftskammer und Handelsverband aber in anderen Punkten. "Es ist absolut unverständlich, dass Wien bisher als einziges Bundesland daran festgehalten hat, auf die Einführung von Tourismuszonen zu verzichten. Immerhin würde diese Maßnahme rund 140 Millionen Euro Mehrumsatz und bis zu 1.000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen", kritisiert der Handelsverband am Dienstag via Aussendung. Dieser Schritt sei überfällig, konkretisiert Hensel. Touristen würden am Sonntag "voller Entgeisterung" vor geschlossenen Geschäften stehen.

Frank Hensel
Frank Hensel © APA/GEORG HOCHMUTH

"In einer Wiener Tourismuszone könnten wir wirklich noch Umsätze machen, die wir sonst nicht schaffen", pflichtet Buchmüller bei. Die Kärntnerstraße und die Mariahilfer Straße würden sich anbieten. "Da ist auch der Kollektivvertrag schon so weit."

Wien ist gesprächsbereit

Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) zeigt sich laut ORF.at gesprächsbereit, doch sei eine Lösung nur gemeinsam mit den Sozialpartnern möglich. Die Gewerkschaft hat sich in der Vergangenheit mehrfach gegen eine Ausweitung der Öffnungszeiten und gegen die Sonntagsöffnung ausgesprochen.

Sowohl Wirtschaftskammer, als auch der Handelsverband treten außerdem für eine Reform der Zuschlagsregelungen im Kollektivvertrag ein, die vereinfacht gehörten. "Da gibt es gute Gespräche mit der Gewerkschaft. Der 100-prozentige Zuschlag am Sonntag bleibt aber jedenfalls. Dazu stehen wir", erklärt Buchmüller.