Heimische Wirtschaftsmanager bedauern das Ende der ÖVP/FPÖ-Regierung. Das Regierungsende sei ein "empfindlicher Rückschlag für Reformbestrebungen", sagte Post-Chef Georg Pölzl am Freitag in der Ö1-Sendung "Saldo". Auch Wienerberger-Chef Heimo Scheuch sieht den Reformkurs gefährdet. Als einzig positives Erbe der Regierung wertet Ex-RBI-Chef Karl Sevelda die Arbeitszeitflexibilisierung.

Viele Wirtschaftsbosse wollten sich gegenüber Ö1 nicht zu den aktuellen innenpolitischen Entwicklungen äußern. "Diese Regierungskrise ist ein gewisser Rückschlag, es ist nicht positiv", sagte der Post-Chef.

Das Vertrauen leidet

"Politische Unsicherheit ist nie hilfreich", sagt Bettina Glatz-Kremsner, Generalin der Lotterien und der Casinos Austria, bis vor Kurzem außerdem ÖVP-Vizechefin, in einem Interview mit der Kleinen Zeitung. Man solle aber auch nicht in Panik verfallen in dieser aktuell schwierigen Zeit, mahnt Glatz-Kremsner zur Besonnenheit.

Politik "nicht überbewerten"

Wienerberger-Chef Scheuch sieht durch die Regierungsturbulenzen den Wirtschaftsstandort nicht gefährdet. "Österreich ist ein sehr guter und attraktiver Standort, es hat ein stabiles Rechtssystem. Wir sind ein stabiles Land", zeigte sich Scheuch zuversichtlich. Österreich brauche aber weiterhin einen Reformkurs. Durch die Regierungskrise erwartet Scheuch keinen Schaden für die Wirtschaft. Man dürfe den Einfluss der Politik auf das Wirtschaftsleben nicht überbewerten.

Der ehemalige Chef der Raiffeisen Bank International (RBI) und NEOS-Berater, Karl Sevelda, will die Auswirkungen der Regierungskrise ebenfalls nicht überbewerten. Der Brexit, und der USA/China-Handelskonflikt hätten wesentlich mehr Einfluss auf die heimische Wirtschaft als das Regierungsende.

Wienerberger-Chef Heimo Scheuch
Wienerberger-Chef Heimo Scheuch © APA/HERBERT PFARRHOFER

Stiglitz sieht Image ramponiert

Der ehemalige Banker wies darauf hin, dass die ÖVP/FPÖ-Regierung von ihren Vorhaben im Wirtschaftsbereich nur die Lockerung und Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes umgesetzt hat. Sevelda rechnet nun bis Jahresende mit einem einen politischen Stillstand mit keinen grundlegenden Entscheidungen. Einen Beschluss der Steuerreform erwartet er nicht, weil es wohl keine Mehrheit dafür im Parlament gebe.

Joseph Stiglitz
Joseph Stiglitz © APA/EXPA/JOHANN GRODER

Der US-Starökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ortet mögliche Auswirkungen auf das Image von Österreich durch die politischen Entwicklungen. "Was Österreich Schaden zugefügt haben könnte, war, dass den Rechtsaußen die sensibelste Rolle, das Innenministerium, überlassen wurde", sagte Stiglitz dem "Kurier" (Freitagausgabe).

Geheimdienste wenden sich ab

"Historisch haben die Rechten oft Länder übernommen, indem sie drei Schlüsselressorts unter Kontrolle brachten: Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium." Dies sei eine "enorme Fehleinschätzung" gewesen. "Viele Geheimdienste misstrauen Österreich seither und teilen ihre Informationen nicht mehr. Was - auch wenn es natürlich dementiert wird - absolut verständlich ist", so der Ökonom.

Die kanadische Ratingagentur DBRS erwartet durch die Regierungskrise und den vorgezogenen Neuwahlen "eine Periode der politischen Unsicherheit". Dadurch erhöhe sich das Risiko, dass wichtige Reformvorhaben später implementiert werden, schreibt die Ratingagentur in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. Nach Ansicht von DBRS ist Österreich aber angesichts des robusten Wirtschaftswachstums in einer guten Position, mit der steigenden politischen Unsicherheit umzugehen.