Eine nicht abreißende Menschenschlange schiebt sich über den schmalen Holzsteg, der entlang senkrechter Felswände, über türkisgrüne Teiche, vorbei an rauschenden Wasserfällen führt. Zeit, stehen zu bleiben, ein Foto zu machen, das Naturerlebnis zu genießen, gibt es nicht. Die Schlange schiebt, staut (und schimpft) weiter. An den Haltestellen der Busse und Anlegestellen der Boote, mit denen die Besucher durch den Park geschleust werden: Trauben von Wartenden. Vor den Kassa-Schaltern auf dem Parkplatz dasselbe Bild. Der Nationalpark Plitvicer Seen in Kroatien ist zu einem Paradebeispiel für das in der Fachsprache der Fremdenverkehrswirtschaft „Overtourism“ genannte Phänomen: zu viele Gäste auf zu engem Raum.

Aber wie kommt es zu diesem Herdentrieb? Der Freizeitforscher Andreas Reiter führt gleich mehrere Gründe an, die Motivlage spannt sich vom generellen Trend zu Städtetrips bis hin zur „Generation Easyjet“, wie sie Reiter nennt. Es gehe aber auch um „Sehnsuchtsziele, touristische Klassiker“. Ikonische Plätze, aufgeladen durch kampagnenhafte, virale Popularisierung durch Social-Media-Kanäle wie Instagram, werden von Reisenden wie Trophäen gesammelt und auf der inneren Landkarte abgearbeitet. „Dabei schrecken sie auch die Massen nicht ab“, sagt Reiter.

Ob in Venedig, wo jährlich 22 Millionen Touristen einfallen, in Barcelona oder Palma de Mallorca, wo die einheimische Bevölkerung gegen die „Touristifizierung“ auf die Barrikaden gegangen ist, oder Amsterdam (siehe unten): Stadtverwaltungen ziehen Schutzwälle in Form von neuen Abgaben für Betten, Limits oder überhaupt Verboten von Kreuzfahrtschiffen hoch.

Störfaktor?

Amsterdam sei zudem die erste europäische Stadt, „in der Tourismusorganisation ihre Kernaufgabe nicht mehr wahrnimmt, nämlich Marketing nach außen zu betreiben. Dort geht es jetzt nur noch um Qualitätsverbesserung nach innen. Das ist ein spannender Paradigmenwechsel“, analysiert Tourismusexperte Reiter.

Der Tourist, bislang beliebter und heiß umworbener Geldbringer, ist vielerorts zum Störfaktor geworden. Auch für seinesgleichen. Denn ob bei den Terrakotta-Soldaten in China, in St. Petersburg, Florenz oder Rom: Bis zu ein Drittel der Besucher - obwohl selbst Teil der Völkerwanderung - gibt an, vom Overtourism negativ betroffen zu sein.

Auf 40.000 Einwohner kommen 2 Millionen Touristen

In Dubrovnik, das als Drehort der Blockbusterserie „Game of Thrones“ einen weltweiten Bekanntheitsboost erlebt, schreckt man vor radikalen Einschränkungen (noch) zurück. Eintrittsgelder sind keine Option, versicherte Romana Vlasic, Direktorin des Tourist Bureau der kroatischen Stadt, heuer bei der internationalen Tourismusmesse ITB in Berlin. Das, obwohl auf 40.000 Einwohner pro Jahr zwei Millionen Touristen kommen, an den Eingangstoren in die Altstadt ein Einbahnsystem gilt und der Ansturm das Innenleben der Stadt radikal verändert hat: So gibt es nur noch vier Lebensmittelläden - aber mehr als hundert Souvenirgeschäfte und über 150 Restaurants.