Der Palazzo Balbi, Sitz der Regionalregierung des Veneto, sticht mit seiner Fassade und den eleganten Dienstbooten hervor. Direkt am Knick des Canal Grande, neben der Vaporetto-Station San Toma´, blickt man hier beinahe von der Rialtobrücke bis zur Accademia. Schon für die Aussicht aus dem Büro von Tourismuslandesrat Federico Caner könnte man etwas verlangen.

Der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, sagt, er muss die Stadt verteidigen. Wann kommt das Eintrittsgeld in die Lagunenstadt und wie teuer wird es sein?
FEDERICO CANER: Ab 2020 soll es so weit sein. Es wird nicht so sehr ins Gewicht fallen, denn es wird gestaffelte Preise geben von vier bis zehn Euro, je nachdem, ob es Familien mit Kindern sind oder Senioren. Besucher, die mit Bussen kommen, zahlen schon seit Jahren mit ihren Tickets Eintritt. Zuständig ist nicht das Land Veneto, sondern die Stadt Venedig entscheidet das selbstständig. Der Bürgermeister hat betont, dass die Einnahmen den Touristen mit besseren Serviceleistungen und einer gepflegten Stadt zugutekommen sollen und nicht das Stadtbudget auffüllen werden.

Wo und wie will man denn das Geld einheben?Mit Sperren? Das gäbe ja noch mehr Gedränge!
Es wird keine Staus geben. Wer mit Bahn und Bus kommt, wird mit dem Ticket zahlen, oder mit dem Auto im Parkhaus. An Details wird noch gefeilt.

Jährlich überrennen Millionen Venedig. Sie glauben, das hemmt?
Genau sind es zehn Millionen Besucher im Jahr, gemeinsam mit dem Bezirk Venedig bis Jesolo sind es über 30 Millionen. Die Hälfte der 70 Millionen Gäste, die jährlich den Veneto besuchen, kommen hierher. Das Ziel des Eintrittsgeldes ist eine bessere Qualität für die Gäste. Wer vorher ein Museum bucht oder eine Ausstellung oder in einem Hotel in Venedig übernachtet, wird kein Eintrittsgeld in die Stadt zahlen. Denn daran sieht man, dass diese Gäste Venedig und seine Kultur und Kunstschätze wertschätzen.

Das neue Buch des Autors Gerhard Roth über das Paradies Venedig heißt "Die Hölle ist leer – die Teufel sind alle hier". Wie höllisch ist "Overtourism", der Massentourismus, für die Serenissima?
Niemand will den Touristen verbieten, nach Venedig, Rom, Florenz oder Barcelona zu kommen. Aber jede dieser Städte muss Maßnahmen treffen, um den Ansturm zu koordinieren. Das gilt auch für Airbnb, für das es Gesetzesregeln geben wird.

Wann wird Ozeanriesen das umweltschädliche Kreuzen vor dem Markusplatz verboten?
Wir haben nichts gegen Kreuzfahrtschiffe, aber wir wollen ihre Passagiere auf anderen Wegen in die Stadt bringen. Es ist auch nicht schön, wenn sie von den großen Schiffen im Canale della Giudecca auf den Campanile herabschauen. Daher werden wir den Porto Marghera für die Kreuzfahrtschiffe ausbauen und die Gäste auf kleineren Booten in die Stadt bringen, das ist dann auch sicherer. Das Projekt benötigt jedoch noch Zeit.

Dabei gibt es ruhigere Winkel wie Mazzorbo, Certosa, Torcello und natürlich den Lido. Wird Ökotourismus für Venedig wichtiger?
Es gibt immer mehr Alberghi Diffusi, wo man sich wie auf dem Dorf fühlt, mit einer Rezeption für mehrere Vermieter.

An Kunststädten hat der Veneto auch noch Höhepunkte wie Verona mit der Arena, Vicenza mit Palladio, Padua mit den Fresken. Wie bringen Sie diese Perlen der am größten wachsenden Touristengruppe nahe, den Chinesen?
Unsere neue Tourismusstrategie sieht China als wichtigen Markt, daher sind wir dort auf Messen und planen Direktflüge Venedig–Peking und Venedig–Schanghai. Die jungen Chinesen wollen nicht als Massentouristen hinter einem Fähnchen herlaufen. Wir zeigen ihnen den ganzen Veneto und wie die Leute leben.

Wie frischen Sie den Thermentourismus von Abano bis Montegrotto und Galzignano auf?
Wir haben erstmals ein Konsortium gründen können, wo nicht nur Thermen und Hotels, sondern auch Wirte, Golfplätze, Radveranstalter dabei sind.

Wie entwickeln Sie Ihr Radnetz auf den Spuren des Giro d’Italia?
Wir haben 1200 Kilometer Radwege und drei große Projekte: rund um den Gardasee und die Achsen Venedig–Turin und Verona–Florenz. In Treviso haben wir eine Station, wo jeder sofort duschen kann. An der Adria ist der Radweg durchgehend.

Die Adria ist unser aller geliebte Badewanne. Wie globalisieren und modernisieren Sie den Tourismus in Bibione, Caorle, Jesolo?
Wir vermarkten sie global als "Venice Sands", die Strände, die zu Venedig gehören. Wir sehen sie als einen Raum auch mit Lignano und Grado. Das Betreiben der Strände wird in Italien per Ausschreibung auf 20 Jahre an Private vergeben, damit sie in die Infrastruktur investieren. Bibione zielt auf Familie und Sport, Caorle hat Ortscharakter und Jesolo ist Italiens Miami. Die Antwort auf globale Konkurrenz ist Qualität, dafür legen wir erstmals Kriterien fest.

Wann fährt man dort dieselfrei?
Das ist derzeit unrealistisch, E-Ladestationen nehmen aber zu.

Sie sind auch für EU-Mittel zuständig. Wo investieren Sie diese?
Rund 40 Millionen Euro fließen in Hotelinvestitionen und an 19 Reti di imprese, Tourismusnetzwerke hin bis zum Radvermieter. Wir investieren auch in touristische Start-ups. Außerdem setzen wir zwölf Millionen in den Bergen ein und für die Ski-WM 2020 in Cortina und hoffentlich Olympia 2026, oder in Unesco-Bergdörfern wie Val di Zoldo und Autesco.

Schön an der Prosecco-Gegend mit Treviso und Asolo: Toscana-Gefühl, 300 Kilometer weniger Fahrstrecke. Wie vereinen Sie Tourismus und regionale Produkte?
Wir bemühen uns um Unesco-Status für die Colli Prosecco, wo man auf biologischen Weinbau umstellt und mit Tourismus zunehmend vermarktet. Auch an den Soave- und ValpolicellaWeinstraßen. Das Gefühl des Wertvollen, Regionalen sollen auch die Veneter selbst spüren.