Nach den Flugzeugabstürzen von Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Toten gerät Boeing immer stärker unter Druck. Dazu trägt jetzt auch ein Bericht der "New York Times" bei. Demnach hätte es für die beiden Boeing-737-Max-8-Jets, die im Oktober und März abgestürzt sind, Sicherheitsfunktionen gegeben, die aber nicht eingebaut waren. Diese Systeme hätten laut dem Bericht das Risiko eines Absturzes verringern können. Warum der Konjunktiv? Weil diese Sicherheitsfunktionen in den Flugzeugen der Lion Air und Ethiopian nicht eingebaut waren. Denn Boeing hätte die beiden Warnmelder nämlich extra verrechnet, berichtet die "NYT".

Die beiden Warnmelder hätten demnach dazu beitragen können, die Abstürze zu verhindern: Es geht einerseits um eine Anzeige der Daten der sogenannten "Anstellwinkel-Sensoren", auf der anderen Seite um eine Warnlampe, die aufleuchtet, wenn Sensoren unterschiedliche Daten liefern. Die Piloten würden solche Unregelmäßigkeiten dadurch leichter erkennen können, wird berichtet. Doch vorgeschrieben sind beide Sicherheitsfunktionen nicht, viele Airlines hätten aus Kostengründen darauf verzichtet. Zumindest die Warnlampe will Boeing künftig zur Standardausstattung in neuen 737-Max-Fliegern machen, die MCAS Software soll ein Update bekommen.

Fluggesellschaft storniert Kauf

Die indonesische Fluggesellschaft Garuda hat unterdessen den Kauf von 49 Maschinen des Typs 737 MAX 8 widerrufen. Die Airline habe in einem Brief an den US-Flugzeugbauer um die Stornierung der Bestellung im Wert von mehreren Milliarden Dollar gebeten, sagte Garuda-Sprecher Ikhsan Rosan am Freitag. Die Passagiere hätten das Vertrauen in den Flugzeugtyp verloren, sagte er zur Begründung.

FBI ermittelt

Unterdessen hat sich das FBI laut einem Zeitungsbericht strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Zulassung von Boeings Unglücksflieger 737 Max angeschlossen. Die Bundespolizei solle mit ihren beträchtlichen Ressourcen die bereits laufende Untersuchung des Verkehrsministeriums unterstützen, schrieb die "Seattle Times" (Donnerstag) unter Berufung auf Insider. Die Ermittlung werde vom Verkehrsministerium durchgeführt, aber von der strafrechtlichen Abteilung des Justizministeriums überwacht.

Die US-Verkehrsministerin Elaine Chao hatte zuvor angeordnet, dass ihr Ministerium überprüft, ob bei der Sicherheits-Zertifizierung der neuen Boeing-737-Max-Flugzeuge im Jahr 2017 alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der Generalinspekteur des Ministeriums solle den Fall untersuchen. Über Ermittlungen des Justizministeriums hatten zuvor bereits andere US-Medien wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Insider berichtet. Das Ministerium bestätige oder dementiere solche Ermittlungen prinzipiell nicht, sagte ein Sprecher.

Verflechtungen mit Regierung, Kritik an Zulassung

Nach den zwei Flugzeugabstürzen in weniger als einem halben Jahr wird die Zulassung von Boeings 737 Max Jets durch die FAA inzwischen mit großem Argwohn betrachtet. Skepsis ruft vor allem die Freigabe der umstrittenen Steuerungssoftware MCAS hervor, die eine entscheidende Rolle beim Absturz einer 737 Max 8 Ende Oktober in Indonesien gespielt haben soll und auch beim Crash einer solchen Maschine in Äthiopien als mögliche Ursache gilt. Boeing hat ein rasches Update des Programms versprochen. Am Mittwoch erklärte die FAA die Installation der überarbeiteten Software und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm für Flugzeugbesatzungen zur "Priorität".

Auch die Verflechtungen der Regierung von Donald Trump zum Boeing-Konzern geraten verstärkt in den Fokus. Am Mittwoch leitete der Generalinspekteur des US-Verteidigungsministeriums eine Untersuchung gegen Ressortchef Patrick Shanahan, einen langjährigen Boeing-Manager, ein. Es werde untersucht, ob Shanahan sein Ministeramt genutzt habe, um seinem früheren Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Boeing ist auch einer der größten Rüstungshersteller in den USA. Shanahan ließ mitteilen, er begrüße die Überprüfungen.

"Diplomatische und geschäftliche Erfahrungen"

Der größte US-Luft- und Raumfahrtkonzern hat traditionell einen engen Draht zur Regierung. Im Februar erst nominierte Boeing Präsident Trumps ehemalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, als Direktorin für den Verwaltungsrat. Die 47-Jährige hatte ihr Amt bei der UNO Ende Dezember nach zwei Jahren abgegeben. Die Hoffnungsträgerin der Republikaner war bereits als künftige Präsidentschaftskandidatin im Gespräch. Boeing werde in hohem Maße von Haleys diplomatischen und geschäftlichen Erfahrungen profitieren, hatte Konzernchef Dennis Muilenburg mitgeteilt.

Der Chef der indonesischen Flugsicherheitsbehörde, Soerjanto Tjahjono, bestätigte am Donnerstag in Jakarta, dass beim Flug einer Boeing 737 Max 8 einen Tag vor dem Absturz der Maschine in Indonesien neben der üblichen Besatzung ein dritter Pilot im Cockpit saß. Zu einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach nur mit Hilfe des dritten Piloten eine Katastrophe verhindert worden sei, wollte er jedoch keine Stellung nehmen.