Großbritannien ist für Österreich der neuntwichtigste Exportpartner. Von Jänner bis Oktober 2018 lieferten österreichische Firmen Waren im Wert von rund 3,6 Milliarden Euro in das Land. Gefragt bei den Briten sind vor allem heimische Maschinen und Fahrzeuge, darauf fallen gut die Hälfte der Gesamtexporte. Für die Steiermark ist Großbritannien deshalb sogar der viertwichtigste Handelspartner.

Die steirische Wirtschaft steht durch den Automobilsektor in einem besonderen Zusammenhang mit Großbritannien und damit auch mit dem Brexit. Das Vereinigte Königreich ist der viertwichtigste Handelspartner für die Grüne Mark. Im ersten Halbjahr 2018 wurden steirische Waren im Wert von 647 Millionen Euro nach Großbritannien exportiert. Magna Steyr in Graz fertigt für Jaguar derzeit zwei Fahrzeuge.

Magna erklärte am Mittwoch nach dem im britischen Unterhaus abgelehnten Brexit-Deal, dass man sich als global agierendes Unternehmen auf Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld vorbereite. Dies geschehe auch in Absprache mit den Kunden. "Da es jedoch bisher keine konkreten Entscheidungen im Falle des Brexit gibt, möchten wir uns auch an diesen Spekulationen nicht beteiligen", hieß es.

Mehr Exporte

Österreichweit legten die Exporte nach Großbritannien in den ersten zehn Monaten 2018 um rund 8 Prozent zu, zeigen Daten der Statistik Austria. Abgesehen von Maschinen und Fahrzeugen exportieren heimische Betriebe vor allem auch bearbeitete Waren, chemische Erzeugnisse und Nahrungsmittel.

Vom Volumen her exportiert Österreich annähernd gleich viel in das Vereinigte Königreich wie nach China. Wichtigster Handelspartner für Österreich ist Deutschland. Über die Bande Deutschland könnte ein Brexit so auch für Österreich Auswirkungen haben, erwarten Experten.

Bei den Einfuhren ist Großbritannien für Österreich nur auf Platz 13. Von Jänner bis Oktober 2018 stiegen die Importe kräftig um 20 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Auch bei den Einfuhren überwiegen Maschinen und Fahrzeuge, gefolgt von chemischen Erzeugnissen.

Mit Großbritannien ergibt sich also ein kräftiger Handelsbilanzüberschuss von etwa 1,1 Milliarden Euro, zumal Österreich mehr exportiert als importiert.

Rückschritt

Das IHS wertet die Ablehnung des Brexit-Deals als Rückschritt. "Das absurde an der aktuellen Situation ist, dass die britische Regierung trotz der Abstimmungsniederlage zum Brexit-Deal wahrscheinlich die Vertrauensabstimmung heute überstehen wird. Damit ist man keinen Schritt weiter, sondern eher zwei Schritte im Austrittsprozess zurückgegangen", kritisiert IHS-Chef Martin Kocher.

Für die Wirtschaft sei die Ablehnung des Brexit-Deals zwischen britischer Regierung und EU nicht überraschend gekommen, daher seien die direkten Auswirkungen auf den Pfund-Kurs und andere wirtschaftliche Indikatoren vorerst begrenzt. Aber "jeder Tag der Unsicherheit verursacht sowohl der britischen als auch der resteuropäischen Wirtschaft weiter steigende Kosten" - ganz zu schweigen von praktischen und menschlichen Problemen, sagte der Chef des Instituts für Höhere Studien.

Schlecht für Wachstum

Sollte es am Ende zum "harten Brexit", also einem Ausscheiden Großbritanniens ohne Austrittsvertrag kommen, hätte das für die österreichische Wirtschaft "erhebliche Konsequenzen, die sich vor allem auf das langfristige Wachstum negativ auswirken würden. Aber auch kurzfristig würde man einen harten Brexit an einer Verringerung der österreichischen BIP-Wachstumsrate von geschätzten 0.1 bis 0.3 Prozentpunkten makroökonomisch wahrnehmen."

Kocher rechnet nicht damit, dass die EU den Briten so große Zugeständnisse machen wird, dass der Deal eine Mehrheit im britischen Parlament finden würde. Realistisch seien daher nur mehr ein harter Brexit, die Verschiebung der Entscheidung durch eine Verlängerung der Verhandlungsfrist oder die gänzliche Rücknahme des Austrittsantrags. "Ein Spielen auf Zeit macht aber nur Sinn, wenn es eine klare britische Strategie entweder hinsichtlich weiterer Verhandlungen oder hinsichtlich einer alternativen Entscheidungsfindung im Vereinigten Königreich - zum Beispiel durch eine Volksabstimmung - gibt", so der Wirtschaftsforscher.

Blindflug

"Für die Wirtschaft geht der Blindflug weiter", sagt der RBI-ChefanalystPeter Brezinschek in Reaktion auf die gestrige Brexit-Abstimmung im britischen Parlament. In Wahrheit sei es völlig offen, was nun geschehen wird. Erstaunlich sei, wie ruhig die Finanzmärkte reagiert haben. Wirklich bedrohlich sei die Lage für die Wertschöpfungsketten, da könne es mit April zu Einbrüchen kommen.

Die Finanzmärkte haben die Ablehnung offenbar schon erwartet und sind außerdem derzeit noch mit den Jahresergebnissen beschäftigt. Erst ab Mitte Februar erwartet Brezinschek wieder größere Unruhe. Die Industrie hingegen stelle sich schon auf einen Austritt Großbritanniens ohne Deal ein und beginne Produktion zu verlagern und bei den Lieferketten das Vereinigte Königreich auszusparen. Das werde die britische Wirtschaft, aber auch die Unternehmen in der ganzen EU treffen. Bei einem harten Brexit ohne Abkommen gibt es nur Verlierer, erinnern die Analysten von Raiffeisen Research.

Zollunion

Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer sieht nach der Abstimmungsniederlage im britischen Parlament für das EU-Austrittsabkommen nun die Wahrscheinlichkeit für eine Zollunion der Briten mit der EU gestiegen. "Die größere Wahrscheinlichkeit ist, dass wir einen Deal bekommen, der etwas softer ist als die Version von May - im Bereich einer Zollunion mit der EU", sagte er im Gespräch mit der APA.

Das wäre ein "Soft Brexit", wie ihn allerdings die Hard-Brexit-Befürworter in Mays Partei, bei den Tories, massiv ablehnen. Die britische Premierministerin Theresa May werde also möglicherweise versuchen, die Soft-Brexit-Befürworter in der Labour-Partei, bei den Unabhängigen und in anderen Parteien zu gewinnen, um einen Deal in Richtung Zollunion zu erreichen.

Unternehmen vorbereitet

Die gestrige Ablehnung des Brexit-Vertrags durch das britische Unterhaus kommt für die in Großbritannien aktiven österreichischen Unternehmen nicht überraschend. "Die Firmen haben sich an die Unsicherheit gewöhnt", sagte der WKÖ-Wirtschaftsdelegierte in London, Christian Kesberg, zur APA. Auch eine Verschiebung des britischen EU-Ausstiegs um zwei bis drei Monate mache "keinen großen Unterschied".

Kesberg sieht die österreichischen Unternehmen gut auf die verschiedenen Brexit-Varianten vorbereitet. Seit dem Sommer 2016 hätten sich die Firmen damit auseinandergesetzt. Bei der Wirtschaftskammer in London seien zuletzt die Anfragen wegen des Brexit leicht gestiegen.

Auch bei einem Hard Brexit und der Einführung von Zöllen auf WTO-Niveau erwarteten die Wirtschaftsforscher keine Rezession in Großbritannien, sondern nur eine deutliche Abflachung des Wirtschaftswachstums. "Der Brexit ist ein Verlustgeschäft für die meisten. Es gibt nur wenige Gewinner, die vom billigen Pfund profitieren", so die Einschätzung des Wirtschaftsdelegierten.

Zentralbanken vorbereitet

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken haben sich seit längerem auf alle Varianten eines Brexit vorbereitet. Daher mag es zwar in anderen Bereichen eine Menge Probleme im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU geben, aber "im Finanzsektor erwarte ich keine größeren Störungen", sagte Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny bei der Euromoney-Konferenz.