Wer im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel etwas zu sagen hat, flankierte am Montagvormittag Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Allerdings waren die meisten Spitzenvertreter aus zeitlichen Gründen wenig und manche erst gar nicht am Wort, als Köstinger den neuen Pakt des Handels vorstellte, mit dem unlautere Praktiken gegenüber Zulieferbetrieben abgestellt werden sollen.

„Es gibt Beispiele, wo rückwirkend die Vertragsbedingungen verändert wurden oder Verträge plötzlich unbegründet aufgelöst worden sind. Es ist ein Gebot der Stunde, dass diese Dinge der Vergangenheit angehören,“ so Köstinger, wobei sie betonte, dass es sich um Einzelfälle gehandelt habe.

Der schon vor einigen Wochen mit der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) verfasste Fairnesskatalog, der bereits klare Regeln für das Verhältnis von Handelskonzernen und Lieferanten vorsieht, soll nun auch in konkretes Recht münden.

Whistleblower-Plattform ab 2019

Eine Whistleblower-Plattform soll Beschwerden anonym ermöglichen. Eingerichtet wird sie im kommenden Jahr ebenso wie eine eigene Behörde, konkret eine Ombudsstelle, die weisungsfrei arbeitet und Betroffenen auch Beratungen, die auf Wunsch ebenfalls anonym sind, anbieten soll.

Großes Lob zollte Frank Hensel der freiwilligen Vereinbarung. Der Spitzenfunktionär des Handelsverbandes und frühere langjährige Chef der Rewe-Austria-International-Gruppe sprach von einem guten Tag für Österreichs Handel und alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette. „Das stärkt den Standort Österreich und wird uns weiter voranbringen im Verhältnis zu anderen Ländern“, so Hensel. So schlecht könne das Verhältnis Handel/Lieferanten allerdings nicht sein, deponierte Hensel. „Denn der höchste Anteil von Bio-Lebensmitteln im EU-Vergleich kommt nicht zustande, wenn man nicht ordentlich miteinander umgeht.“ Er glaubt sogar, dass der Handel diese freiwillige Vereinbarung in Richtung der verarbeitenden Betriebe aufnimmt. Auch hier liege das im Interesse des Handels selbst. Schließlich seien Berichte über Missstände nicht positiv.

Angst vor sinkenden Lebensmittelstandards

Das viel gravierendere Problem, das vor wenigen Wochen Spar-Chef Gerhard Drexel massiv angeprangert hatte, ist dagegen noch nicht gelöst. Hierbei geht es um eine Reihe von politischen Vorschlägen an die EU-Kommission, die zu einer Nivellierung von Lebensmittelstandards auf das gesetzliche Mindestniveau führen könnten, wie Kritiker befürchten. Konkret soll der Handel von seinen Lieferanten keine Standards mehr verlangen dürfen, die über das gesetzliche festgelegte Maß hinausgehen. Das könnte Österreichs Handel massiv treffen. Hensel spricht von einem potenziell enormen Schaden. Er sei froh, dass die Diskussion in die richtige Richtung laufe.

Lobbying in Brüssel

Köstinger ist seit Wochen in der Causa unterwegs. „Im EU-Parlament wird man auf dem Standardthema nicht beharren“, so die Ministerin. Dafür habe sie vor zwei Wochen die Zusicherung bekommen. „Das ist bilateral schon geregelt“, erklärte sie, ohne nähere Details zu nennen. Die härtere Nuss dürfte aber mit der Kommission zu knacken sein. Dort verhandelt die Ministerin darüber, wie weit diese Regelung gelten soll, konkret, ob auch kleine und mittelständische Unternehmen davon betroffen sein sollen. „Die Gefahr, dass alles immer ein größerer Einheitsbrei wird, ist evident“, so Köstinger.

„Der Alarm ist nicht abgestellt“, bestätigt Spar-Vorstand Friedrich Poppmeier. „Da sind von Lobbyisten der Großindustrie anderer Länder Punkte hineingekommen, die man nicht akzeptieren kann.“ Er hoffe, dass es in den nächsten Tagen eine Lösung gebe, „die ähnlich ist wie der bei uns abgeschlossene Fairnesskatalog. Mit dem kann die Ministerin hoffentlich in Brüssel eine Vorreiterrolle spielen.“