PRO: Jahrelang verschleppte Verfahren gefährden die Versorgungssicherheit, die heimische Infrastruktur, lähmen den Wirtschaftsstandort und kosten Arbeitsplätze. Das Standortentwicklungsgesetz schafft Abhilfe meint Peter Koren, Vite-generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV).

Wenn bei Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte und Betriebsansiedelungen auch nach vielen Jahren kein Ende in Sicht ist, birgt das massive Belastungen. So kosten etwa Engpässe aufgrund der fehlenden 380kV-Leitung in Salzburg den österreichischen Stromkunden monatlich zehn Millionen Euro. Die Versorgungssicherheit mit Strom, die für ganz Österreich von vitaler Bedeutung ist, leidet – ebenso wie die Umwelt. Mit mangelhaften Netzverbindungen wird die Energiewende kaum gelingen können. Auch die Verkehrssicherheit bleibt auf der Strecke – mit tragischen Folgen: Seit vielen Jahren wird etwa eine Verkehrslösung für das steirische Ennstal gefordert. Nach vielen Jahrzehnten ist nun ein – zumindest teilweiser – Ausbau der B 320 möglich. Ich stamme selbst aus dieser Region und weiß: Viele Menschen waren und sind von Staus, Unfällen und Rettungseinsätzen betroffen. Eine baldige Lösung ist einfach nur fair für alle Betroffenen.

Mit dem jetzt von der Bundesregierung vorgestellten Standortentwicklungsgesetz hätten solche Entwicklungen zeitgerecht vermieden werden können. Dabei geht es weder um die Senkung von Umweltstandards oder die Beschneidung von Parteienrechten.

Es geht um straffere, schnellere Verfahren, die Rechts- und Planungssicherheit garantieren. Denn wenn tatsächliche Verfahrensdauern die gesetzlichen um ein Fünf- bis Zehnfaches überschreiten, dann leidet darunter zwangsläufig unsere Wettbewerbsfähigkeit. Notwendige Investitionen bleiben aus, neue Arbeitsplätze können nicht geschaffen werden. Projekte, die Österreich voranbringen würden, werden nicht verwirklicht. Das kann niemand wollen.

Mit dem Standortentwicklungsgesetz sollen mittels einheitlichen Auswahlverfahrens Projekte im besonderen öffentlichen Interesse benannt werden, die dann ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Es wird dabei kein Umweltgrenzwert verschlechtert, es wird kein Naturschutzgebiet verkleinert und es werden berechtigte Bürgeranliegen nicht geschmälert. Diese durchlaufen dann ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren, dessen Ausgang aber offen ist. Ziel ist lediglich, eine angemessene Frist für die Entscheidung sicherzustellen. Eine raschere Klarheit, ob ein Projekt umweltverträglich ist oder nicht, nützt letztlich allen: den betroffenen Menschen, den Behörden, den Antragstellern und auch der Umwelt. Dieses Bundesgesetz allein reicht aber nicht. Entscheidungsfreudige Landespolitiker müssen diese für die Menschen so wichtigen Projekte tatkräftig unterstützen.

CONTRA:Mit dem geplanten Gesetz werden Umweltbedenken zur tolerierten Nebensache. Die Verfahrensbegrenzung auf 18 Monate ist ein Freibrief für Husch-Pfusch-Aktionen und wird zu Problemserien und Mehrkosten führen, meint Johannes Gepp, Präsident des Naturschutzbunds Steiermark.

Die Regierung plant also, die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) auf eineinhalb Jahre zu begrenzen, wobei schon rasch feststehen sollte, ob eine Genehmigung aussichtsreich ist. Das verleitet doch jeden Betreiber, sich mit Mindestaufgaben zu begnügen. Die Umweltbedenken dagegen werden zur staatlich tolerierten Nebensache. Schon die Vorstufen der heutigen UVP im Laufe der Wirtschaftswunderjahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren nicht in eineinhalb Jahren abwickelbar. Damals drängten sich zahlreiche unausgegorene Projekte um Verwirklichung. Eine Brücke über den Neusiedlersee, Kraftwerksstaue in der Wachau, bei Hainburg, am Gesäuseeingang, ein Atommülllager auf der Koralm, eine Raffinerie in Lannach – ohne Nachdenkpause und Bürgerinitiativen wären sie heute alle Wirklichkeit.

In Zeiten des Klimawandels sollten Großprojekte und ihre Auswirkungen weit mehr mit der betroffenen Bevölkerung diskutiert und kritisch geprüft werden. Jetzt folgt genau das Gegenteil. Die Beschleunigung der UVP engt die Information und die Befassung der Bevölkerung ein. Die UVP-Praxis war von Anfang an allzu oft ein unfairer Disput politisch bevorteilter Investoren gegen betroffene Anrainer. Wollte die Politik ein Projekt durchsetzen, wurden im Verfahren „erfolgreiche“ Vorsitzende eingesetzt, die Diktatoren gleich zaghafte Anfragen schüchterner Anrainer abschmetterten, den Rechtsanwälten der Betreiber freie Bahn gewährten und es mit den kritischen Protokollen nicht so ernst nahmen. Oder behauptet jemand bei insgesamt 97 Prozent Positivgenehmigungen, es wäre alles ausgewogen?

Gab es je oder gibt es hier je eine Chancengleichheit? Nein, selbst bei unmöglichen Projekten sind die Werber im Vorteil. Denn allein die Möglichkeit, sich als Betreiber die Gutachter wählen zu dürfen, führt zu deren korrumpiertem Kniefall. Denn welcher Gutachter, der einmal gegen Details eines Projekts auftritt, wird ein zweites Mal beauftragt?
Die NGOs sollten im Sinne des Allgemeinwohls eine unbezahlte und unbestochene Instanz sein, um mögliche Behördenentscheidungen kritisch zu hinterfragen. Anstatt dass der Staat diese Systemleistung in jeder Hinsicht fördert, will er nun jede Initiative abwürgen.

Vermutlich können wir uns im Sog des Klimawandels ungestraft keine weiteren Umweltsünden leisten. Die Verfahrensbeschleunigung ist ein unverantwortlicher Leichtsinn. Investitionen in die Umwelt werden geringer, die Gewinne höher, negative Folgen dürfen wir alle gemeinsam schultern.