Für die Finanzierung der 2020 geplanten Steuerreform fehlt noch ein Großteil der Manövriermasse. Darauf haben am Freitag die Chefs von Wifo und IHS hingewiesen. Der öffentliche Haushaltsüberschuss 2019 mache aus jetziger Sicht nur 800 Mio. Euro aus, so Wifo-Leiter Christoph Badelt. IHS-Chef Martin Kocher setzte die Untergrenze einer Reform mit 3 bis 3,5 Mrd. an.

Wenn man davon ausgehe, dass der große Teil der Steuerreform ausgabenseitig gegenfinanziert sein sollte - es also keine komplette Gegenfinanzierung mit anderen Einnahmen gebe -, so müsse "der Spielraum bei der Ausgabenverlangsamung noch geschaffen werden", meinte der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Badelt sagte anlässlich der Präsentation der Herbstprognose der beiden Institute, die voraussichtlich 0,2 Prozent des BIP an Maastricht-Überschuss im kommenden Jahr ergäben ungefähr 800 Mio. Euro - "ein netter Betrag, aber auf jeden Fall zu klein, um eine große Steuerreform zu finanzieren". "Will man wirklich eine Steuerstrukturreform machen, muss man sich die noch verdienen", meinte der Wifo-Chef: Wenn man die Ausgabendynamik dämpfen und die Steuer- und Abgabenquote sowie die Lohnnebenkosten senken wolle, "muss ein Spielraum geschaffen werden - relativ bald", solle zumindest ein erster Teil der Reform 2020 in Kraft treten.

Es gebe einen Reformbedarf in der Systemlogik, das reiche von einer Entlastung des Faktors Arbeit bis hin zu den Sozialversicherungsbeiträgen und einer stärkeren Berücksichtigung ökologischer Faktoren, so Badelt. Für Kocher geht es auch um mehr Effizienz im System, also neben der Umverteilungskomponente auch um die Frage der Effizienz. Genau dazu will das IHS demnächst konkrete Vorschläge vorlegen.

"Die Umsetzung von Strukturreformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pensionen und Föderalismus sollten umgehend angegangen werden", hielt das IHS am Freitag fest. Zu den Pensionen stehe wenig im Regierungsprogramm, fügte Kocher hinzu: "Kommt das bis 2022 nichts, wäre das nicht optimal."

Wachstum schwächt sich ab

Österreichs Wirtschaftswachstum wird sich nächstes Jahr auf zwei Prozent oder knapp darunter abbremsen. Das haben die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute am Freitag bestätigt. Für 2018 erwarten sie an die drei Prozent Plus. Die Arbeitslosenquote wird weiter sinken, sogar etwas rascher als zuletzt gedacht. Größte Risiken für die Prognose bleiben der Brexit und internationale Handelskonflikte.

Heuer wächst die heimische Wirtschaft deutlich stärker als die des Euroraums, 2019 wird sich das Tempo angleichen, erklärte das Institut für Höhere Studien (IHS). Die Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft seien heuer merklich gestiegen, Gefahr drohe von einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie von zusätzlichen Zöllen im Handel der USA mit Europa.

Österreichs Konjunktur wird weiter vom Privatkonsum gestützt, der wiederum vom starken Beschäftigungsanstieg, steigenden Reallöhnen und hohem Konsumentenvertrauen profitiert. Den Nachfrageausfall im Außenhandel kann der private Konsum 2019 aber nicht voll ausgleichen, so das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Der Arbeitsmarkt profitiert den Experten zufolge von der guten Konjunktur. 2019 dürfte der Aufbau neuer Stellen aber an Dynamik verlieren; auch dann dürfte nur ein kleiner Teil der neuen Jobs aus dem Pool der Arbeitslosen besetzt werden, die Hinweise auf Fachkräftemangel und Mismatch nehmen zu, so das IHS.

Leichter Rückgang

Im Einzelnen rechnet das Wifo für heuer mit 3,0 Prozent realem Wirtschaftswachstum für Österreich - in der Sommerprognose wurden noch 3,2 Prozent erwartet. Auch für 2019 setzte das Wifo die Prognose um zwei Zehntelprozentpunkte von 2,2 auf 2,0 Prozent herab. Das IHS reduzierte die Vorhersage für heuer ebenfalls - von 2,9 auf 2,7 Prozent -, ließ den Ausblick für 2019 aber mit +1,7 Prozent gleich.

In die neuen Prognosen spielen die kürzlich erfolgten BIP-Revisionen der Statistik Austria für die Vorjahre hinein. Demnach hatte schon 2016 der Konjunkturaufschwung eingesetzt - mit damals 2,0 Prozent Wachstum statt 1,5 Prozent. Hingegen blieb das Wachstum 2017 wie berichtet mit 2,6 Prozent unter den bisherigen Berechnungen der Wifo-Experten von 3,0 Prozent zurück.

Bis Jahresende deuten die Vorlaufindikatoren noch auf eine gute Konjunktur in Österreich hin, betonte das Wifo am Freitag. Zunehmend würden aber Währungskrisen in den Schwellenländern, die unklare handelspolitische Ausrichtung der USA und Unsicherheiten im Zuge des Austritts Großbritanniens aus der EU die Konjunktur in exportorientierten Ländern belasten. "Dies wird auch in Österreich das Wachstum dämpfen", so die Experten.

Euroraum schwächt ab

Die Eurozone und Deutschland sieht das Wifo 2019 nur noch um je 1,6 Prozent wachsen, nach 2,0 bzw. 1,9 Prozent heuer. "Seit dem Jahreswechsel hat die Konjunktur im Euroraum an Fahrt verloren", erklärte das IHS dazu. Auch das BIP-Plus in den USA und China wird sich 2019 abbremsen. Die Normalisierung der Geldpolitik der US-Notenbank Fed belaste die Wirtschaftsentwicklung in einigen Schwellenländern, die verstärkte Kapitalabflüsse und Abwertungen ihrer Währungen hinnehmen müssten, so das IHS: "Die Krisen in Argentinien und der Türkei könnten einen Vertrauensverlust gegenüber anderen Schwellenländern auslösen", wird gewarnt.

Die Abschwächung des Exportwachstums Österreichs im nächsten Jahr wird die Investitionsbereitschaft der Firmen dämpfen, nimmt das Wifo an. Es erwartet für heuer und 2019 nur noch 4,9 bzw. 3,7 Prozent Wachstum der Gesamtexporte bzw. 5,6 und 4,5 Prozent Plus bei den Warenausfuhren. Die Ausrüstungsinvestitionen sieht man heuer um 4,7 Prozent wachsen, 2019 um 4,0 Prozent, die Bruttoanlageinvestitionen um 3,4 bzw. 2,7 Prozent.

Die Lage der öffentlichen Haushalte stellt sich aus Sicht des IHS "gegenwärtig recht erfreulich dar". Für einen nachhaltigen Budgetkurs und eine Absenkung der Schuldenquote seien zusätzliche Anstrengungen nötig. Längerfristig müssten Potenziale zur Finanzierung der Kosten für Alterung sowie Bildung, Digitalisierung und Forschung geschaffen werden. "Die Umsetzung von Strukturreformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pensionen und Föderalismus sollten umgehend angegangen werden", fordert das Institut für Höhere Studien.

Budget-Überschuss ab 2019

Den Finanzierungssaldo des Staates laut Maastricht-Definition - also die gesamtstaatliche Verschuldung - erwarten Wifo und IHS für 2018 bei -0,1 bzw. -0,2 Prozent des BIP, 2019 rechnen sie mit 0,2 bzw. 0,1 Prozent Überschuss. Voriges Jahr hatte das Defizit 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.

Zum heimischen Arbeitsmarkt weist das Wifo darauf hin, dass die günstige Konjunktur eine anhaltende Ausweitung der Beschäftigung ermöglicht, die heuer mit +88.000 einen Höchstwert erreiche. 2017 sei die Zahl der unselbstständig aktiv Beschäftigten um knapp 71.000 gestiegen. Seit Einsetzen des Aufschwungs 2016 habe sich die Beschäftigung in Summe um 210.000 Personen erhöht, 2019 dürfte sich die Dynamik aber auf +55.000 abschwächen. Im gesamten Prognosezeitraum werde - wie in den Vorjahren - die Zahl der Arbeitskräfte aus dem Ausland stärker steigen als die der inländischen Beschäftigten.

Die heimische Inflationsrate sehen die Institute bei 2,1 (Wifo) bzw. 2,0 (IHS) Prozent verharren - nur knapp über dem EZB-Zielwert von knapp unter zwei Prozent. Heuer wird die Teuerungsrate vor allem von kostspieligerer Energie getrieben. Im August sei die Kerninflation bei 1 3/4 Prozent gelegen, so das IHS: "Das Inflationsdifferenzial zum Euroraum hat sich somit weiter verringert."