Trockenheit im Norden und zu viel Regen im Süden von Österreich hat in den vergangenen Monaten den heimischen Ackerbau belastet. Die Getreidepflanzen wuchsen aber aufgrund der vergleichsweise hohen Temperaturen besonders schnell. Die Bauern begannen deswegen besonders früh mit der Ernte. Für ihre unterdurchschnittliche Erntemenge von guter Qualität erhalten sie relativ niedrige Preise.

Die Ernteprognose der Landwirtschaftskammer geht von 2,9 Millionen Tonnen Getreide exklusive Mais aus, ein Minus von 6 Prozent gegenüber dem fünfjährigen Schnitt, gab die Kammer am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt. Gegenüber dem schlechten Erntejahr 2017 rechnen die Bauern heuer bei der Getreideernte hingegen mit einem Plus von 5 Prozent.

Mitte Juli ist die Ernte eingebracht

Das Besondere an der Ernte 2018 ist der frühe Zeitpunkt. In der aktuell trockenen und heißen Wetterphase soll die Haupternte bis Mitte Juli abgeschlossen sein, in früheren Jahren begann zu diesem Zeitpunkt erst die Ernte. Die Getreidepflanzen sind heuer viel schneller gewachsen als gewohnt. Der Vegetationsvorsprung beträgt von 12 Tagen an der ungarischen Grenze bis zu 18 Tagen im oberen Waldviertel. In Wien hat die Getreideernte bereits am 18. Juni begonnen und soll diesen Sonntag abgeschlossen sein.

Je nach Bundesland gab es im laufenden Jahr zu viel oder zu wenig Niederschlag. Vom Nordburgenland bis zum Inn war es über eine längere Zeit zu trocken, vom Südburgenland bis nach Kärnten feucht und oft zu nass. Im Norden von Österreich war es im April, Mai und auch in der ersten Junihälfte vergleichsweise viel zu warm und trocken. Der April 2018 war laut Aufzeichnungen der wärmste April seit dem Jahr 1800. Im Süden von Österreich gab es hingegen hohe Niederschlagsmengen. In und nahe der Steiermark gab es 2018 bisher eine doppelt so hohe Niederschlagsmenge wie sonst von Jänner bis Mitte Juni.

Druck auf die Bauern steigt

Der seit Mitte Mai amtierende Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, sieht viele Herausforderungen für die heimischen Ackerbauern. Moosbrugger ortet "einen Druck der internationalen Märkte bei gleichzeitig steigenden Ansprüchen der Gesellschaft, der Politik, der Umwelt, der Wirtschaft". Viele Bauern würden ihre Betriebe gerne "ökologisch und ökonomisch gesund an die nächste Generation weitergeben", so der oberste Bauernvertreter am Donnerstag.

Die Landwirtschaftskammer arbeitet aktuell an einer langfristigen Grünland- und Ackerbaustrategie für Österreich. Themen sind unter anderem die Produktionsweise (bio oder nachhaltig konventionell), Mindeststandards, Herkunft, Saatgut, Pflanzenschutz und Düngung. Weiters soll in der Strategie auch der Lebensmittelmarkt und Futtermittelmarkt sowie der Strukturwandel unter die Lupe genommen werden. Moosbrugger kann sich vorstellen, dass für hochqualitatives Getreide - etwa für Backwaren - langfristig das AMA-Gütesiegel eingeführt wird. Er würde dies aber "nicht vorschnell" und "nicht von heute auf morgen" einführen. Für Getreide wird im Gegensatz zu anderen Agrarbereichen derzeit kein AMA-Marketingbeitrag eingehoben. Beispielsweise könne ein Faschingskrapfen derzeit nicht mit einem AMA-Gütesiegel

Wenig Ernte, niedrige Preise

Die heimischen Getreidebauern müssen trotz geringerer Erntemenge 2018 mit relativ niedrigen Getreidepreisen rechnen. An der Pariser Warenterminbörse Euronext kostet eine Tonne Weizen aktuell rund 186 Euro, an der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien lag der Preis für eine Tonne Premiumweizen zuletzt bei 185 Euro. Die weltweiten Getreide-Lagerbestände sind hoch und dämpfen damit die Preise. In den vergangenen zehn Jahren hat der Weizenpreis eine Berg- und Talfahrt erlebt und pendelte zwischen 140 und 280 Euro. Eine schlechte Ernte in einem großen Anbaugebiet - etwa USA oder Ukraine - kann den Weltmarktpreis für Getreide aber schnell wieder in die Höhe schießen lassen. Der Präsident der Landwirtschaftskammer Wien, Franz Windisch, hofft in den nächsten Wochen noch "auf einen gewissen Preisimpuls". Der Chef der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes, rechnet nicht mit einem besonderen Anstieg der Getreidepreise. Die Aussichten seien "nicht so, dass wir besonders gute Perspektiven haben" und der Klimawandel sei in der Land- und Forstwirtschaft angekommen. "Jetzt geht es darum, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen."