"Die ÖBB sind niemandem wurscht.“ Deshalb kann Andreas Matthä damit leben, dass er als Bahnchef einem durch und durch politisierten Unternehmen vorsteht. Die Staatsbahn war bekanntlich im Februar eines der ersten prominenten Objekte der Umfärbung von Rot auf Blau. Doch der Herr über 40.000 Eisenbahner sieht die Machtspiele gelassen: „Wenn in Ihrem Unternehmen der Eigentümer wechselt, bekommen sie vermutlich auch einen neuen Aufsichtsrat.“

Gute Zusammenarbeit mit Hofer

Mit Infrastrukturminister Norbert Hofer gebe es eine „gute Zusammenarbeit“ – was angesichts der früheren FPÖ-Attacken gegen die Bahn überraschen mag. Umgekehrt will sich der SPÖ-nahe Bahnboss auch nicht in aktuelle Politdebatten einmischen. Aber: „Ich darf festhalten, dass bei uns im Betriebsbereich die Zwölf-Stunden-Schichten Standard sind.“ Auch im Büro wird „in Sonderfällen“ auf zwölf Stunden ausgeweitet, über die Gleitzeit oder als Überstunden mit Zuschlägen. Das sei im Kollektivvertrag geregelt. Aber: „Die Gewerkschaften sprechen über Krankenpfleger und Kellner. Über deren Arbeitssituation traue ich mir kein Urteil zu.“

Privilegien für Mitarbeiter?

Was macht eigentlich die Bahn zum politisch heißen Thema? Natürlich die „vermeintlichen“ Privilegien für ihre Mitarbeiter. Aber die seien doch Geschichte: „Wir haben vor 25 Jahren aufgehört zu pragmatisieren – was die Franzosen jetzt erst in Angriff nehmen.“ Früher war „mit 53 Schluss“, heute gehen die Mitarbeiter im Mittel mit 60,8 Jahren in Pension, „nur mehr ein paar Monate“ unter dem ASVG-Schnitt.

Freilich scheidet „die größte Anzahl“ krankheitsbedingt früher aus, im Schnitt mit gut 56 Jahren. Man könne ja nicht jemanden „auf die Lok setzen“, der beim jährlichen Gesundheitscheck „die Betriebstauglichkeit verliert“.

Koralmtunnel als Dauerbrenner

Ein Dauerbrenner sind auch die Milliardeninvestitionen für die Tunnelprojekte durch Semmering, Koralm und Brenner. Sie könne man ja im Vorfeld „gern diskutieren“. Nur: „Wenn man sich zum Bau entschlossen hat, muss man es möglichst rasch durchziehen, sonst wird es teuer.“ Auch der Koralmtunnel („zu 90 Prozent fertig“) sei zwar „solo wirtschaftlich nicht darstellbar“. Aber „gerade die Südstrecke“ habe für die Volkswirtschaft Potenzial, betont der gebürtige Villacher.

Die Südautobahn habe mit elf Prozent die höchste Zuwachsrate beim Lkw-Verkehr. Und auch auf der Schiene gehe der Bedarf an Fuhren aus Polen und Tschechien „Monat für Monat“ nach oben. Warum verspricht die ÖBB dann den Anrainern am Wörthersee, die um ihre Ruhe und ihre Gäste bangen, eine stabile Zahl an Zügen? Das beziehe sich „auf das Zielnetz 2025“ – also ein Jahr, bevor Semmering- und Koralmtunnel in Betrieb gehen.

Fernbus-Konkurrenz

Bis dahin muss Matthä damit leben, dass die Fernbus-Konkurrenz (vor allem Flixbus) auf der Südstrecke „enorm wehtut“. „Die haben uns über 20 Prozent Marktanteil gekostet. Aber die acht Jahre halte ich auch noch aus“. Mit dem eigenen Fernbus-Angebot („Hellö“) sind die ÖBB ja – noch unter Matthäs Vorgänger Christian Kern – kläglich gescheitert.

Auch an andere Konkurrenten denkt der ÖBB-Chef nicht gerne. Er hält es für falsch, dass ein Fernverkehrsanbieter wie die Westbahn von den S-Bahn-Stationen Praterstern und Wien- Mitte losfahren und sich die Gleise mit Vorortzügen teilen darf. An manchen Tagen funktioniere das gut, aber „sobald eine Kleinigkeit passiert, hast du einen Dominoeffekt und die ganze Pünktlichkeit ist perdu“.

Erfolgsgeschichte Rail Cargo

Lieber berichtet Matthä von der „Erfolgsgeschichte“ der Rail Cargo. Die Güterverkehrstochter macht 80 Prozent im grenzüberschreitenden Geschäft. Sie ist Nummer zwei in Europa, Marktführer am Hafen Triest und auf der Strecke Piräus–Budapest. Dabei sind die Margen „überschaubar“, die Kosten „hart an der Grenze“ und der Wettbewerb entsprechend „tough“. Im Ausland stellt sich die Bahn dem Wettbewerb also ebenso mutig wie erfolgreich. Aber sie scheut ihn, wenn es um den Personenverkehr auf dem Heimmarkt geht. Matthä kämpft dafür, dass Strecken weiter direkt und nicht per Ausschreibung an den Bestbieter vergeben werden. Aber er will das „nicht als Mantra“ sehen. Denn der internationale Wettbewerb werde kommen, „die Frage ist nur, wann“. Und da solle uns später lieber sein, weil die ÖBB ja noch längere Zeit den Kostennachteil der teuren Beamten haben.

"Der Zug im Vorteil"