Der Nationalrat hat am Mittwoch mehrheitlich das umstrittene transatlantische Handelsabkommens CETA ratifiziert. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sowie die NEOS stimmten für den Handelspakt zwischen der Europäischen Union und Kanada, SPÖ und Liste Pilz waren dagegen. Ein SPÖ-Antrag für eine Volksabstimmung zu CETA fand keine Mehrheit. ÖVP, FPÖ und NEOS stellten sich gegen ein solches Vorhaben.

Das in der Vergangenheit von der SPÖ befürwortete und von der FPÖ bekämpfte Abkommen soll durch den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Jobs schaffen. CETA-Befürworter weisen auf die positiven wirtschaftlichen Impulse von Freihandel hin, Kritiker die Aufweichung von Umwelt- und Sozialstandards.

Schiedsverfahren

Der Pakt enthält unter anderem Bestimmungen über den Marktzugang für Waren, Finanzdienstleistungen, öffentliche Beschaffungen, geistiges Eigentum, Handel und nachhaltige Entwicklung sowie Transparenz und Streitbeilegung. Letztere ist in einem eigenen Abschnitt normiert, der detaillierte Regelungen über Konsultations-und Mediationsverfahren sowie Schiedsverfahren vorsieht.

Vorgesehen sind Schiedsgerichte, die öffentlich, nicht privat sein sollen - ein Unterschied zur Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit anderer internationaler Investitionsabkommen. Verfahren sollen transparent, Dokumente öffentlich und eine Berufungsmöglichkeit gegeben sein. Für Mitglieder des Investitionsgerichts sollen strenge Ethik- und Unvereinbarkeitsregeln gelten. Trotzdem stehen sie bei NGOs in der Kritik. Ein Volksbegehren gegen CETA und Co im Jänner 2017 schaffte mehr als 560.000 Unterstützungsunterschriften.

Weite Teile schon in Kraft

Weite Teile von CETA sind bereits am 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten. Das betrifft etwa den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. Bei sensiblen Agrarprodukten wurden allerdings Marktzugangsquoten für Kanada vereinbart. Grundsätzlich ist CETA ein sogenanntes gemischtes Abkommen, da es Kompetenzen sowohl der Europäischen Union als auch der Mitgliedstaaten berührt. Daher bedarf es für ein endgültiges Inkrafttreten auch der Genehmigung durch sämtliche EU-Länder. Insbesondere die im Abkommen enthaltenen Sonderklagsrechte für Investoren werden erst nach Abschluss des Ratifizierungsprozesses in allen 28 EU-Staaten wirksam.

Debatte mit vertauschten Rollen

Die Ratifizierung hat im Nationalrat für kontroverse Debatten mit vertauschten Rollen gesorgt. Die SPÖ warf der FPÖ "Verrat" an Wählern und Demokratie vor und beantragte eine Volksabstimmung über CETA. Die FPÖ wies die Kritik zurück, unterstellte der SPÖ selbst einen "Zick-Zack-Kurs" bei CETA und betonte die "staatspolitische Verantwortung".

Was heute im Parlament geschehe sei "Verrat", erklärte der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried. Der frühere Minister sprach von "Verrat an den Wählerinnen und Wählern der FPÖ - Verrat am gerechten Österreich - Verrat an der parlamentarischen Demokratie". Mit einer am Rednerpult in Szene gesetzten Schautafel wies Leichtfried darauf hin, dass Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Opposition noch größter CETA-Kritiker war und eine Volksabstimmung über den Handelspakt zwischen der EU und Kanada gefordert hatte. "Strache ist mit dieser Haltung krachend umgefallen", so Leichtfried.

Die SPÖ sei für freien Handel, stehe aber gegen Schiedsgerichte und Investoren-Tribunale. Handelsabkommen wie CETA würden vor allem großen Konzernen helfen. Die SPÖ stellte deshalb im Nationalrat einen Antrag für eine Volksabstimmung über CETA. Die SPÖ-Abgeordneten hielten dazu passend Taferl mit der Aufschrift "CETA", "Volksabstimmung", "Jetzt" in die Höhe.

Zick-Zack-Kurs

ÖVP und FPÖ hielten den Sozialdemokraten in der Debatte vor, selbst einen "Zick-Zack-Kurs" in Sachen CETA zu fahren. Die Nationalratswahl und der Wechsel von SPÖ-ÖVP zu ÖVP-FPÖ haben bei CETA zu einem Rollentausch geführt. Die FPÖ muss nun laut Regierungsübereinkommen für CETA sein, die SPÖ, die CETA unter ihrem Ex-Kanzler Christian Kern in Brüssel noch mitgetragen hat, sei nun dagegen. Der ÖVP-Abgeordnete Peter Haubner erinnerte denn auch an ein Zitat von SPÖ-Chef Christian Kern aus seiner Zeit als Bundeskanzler. "CETA ist das beste Abkommen, das die EU je verhandelt hat", meinte Kern noch 2016. In der CETA-Debatte am Mittwoch meldete sich Kern nicht zu Wort, auch den Griff zum Taferl ließ der SPÖ-Chef andere machen.

Der FPÖ-Abgeordnete Axel Kassegger versuchte im Parlament den Meinungswandel in der FPÖ zu erklären. Auch die Freiheitlichen stünden Schiedsgerichten kritisch gegenüber, und eine Volksabstimmung sei politischer Wunsch gewesen. Die ÖVP habe aber in den Koalitionsverhandlungen auf CETA bestanden. Die Alternative wäre ein unregierbares Land oder die Fortsetzung der Stillstandsregierung gewesen. Es handle sich also nicht um Verrat, sondern um die "Wahrnehmung von staatspolitischer Verantwortung für dieses Land", so Kassegger. Man habe die "Krot gefressen - CETA hätten wir mit der SPÖ sowieso bekommen".

Knebelvertrag

Kritik am Handelsabkommen kam auch von der Liste Pilz. CETA sei kein faires Abkommen, sondern gleiche einem Knebelvertrag, weil es Schiedsgerichte beinhalte, so Bruno Rossmann. Auch Rossmann warf der FPÖ einen "Bauchfleck" vor. Anders die NEOS, die sich für freien Handel aussprechen und neben ÖVP und FPÖ die Ratifizierung unterstützen werden. Claudia Gamon sah bei der SPÖ "populistische Reden" und einen "Kniefall" vor jener Lobby, die in der Handelspolitik in die Steinzeit zurück wolle.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) wies im Parlament auf die positiven Effekte des Handelsabkommens hin. Kanada sei achtwichtigster Exportpartner Österreichs, CETA sei deshalb wichtig für den heimischen Wirtschaftsstandort. In Sachen Schiedsgerichte warf sie SPÖ und Liste Pilz falsche Behauptungen vor. "Es gibt keine Schreckgespenster Schiedsgerichte", sagte Schramböck. Tatsächlich ist im CETA-Abkommen nicht das bisher gängige Schiedsgericht vorgesehen, sondern ein neuer Investitionsgerichtshof mit auf fünf Jahre bestellten Richtern, die zu je einem Drittel von Kanada und Europa ausgewählt werden und zu einem weiteren Drittel mit Unabhängigen besetzt werden.