Zur Übernahme von Opel im vergangenen Jahr hatte PSA-Chef Carlos Tavares noch die deutsche Ingenieurskunst gepriesen. Doch dem Autobauer laufen laut Insidern im Zuge der Sanierung wichtige Techniker und Wissensträger davon.

Viele seien Leute aus der "A-Mannschaft", die gute Chancen auf hochrangige Jobs woanders in der boomenden Industrie hätten, berichtet ein Ex-Opelaner, der so wie andere Befragte nicht namentlich genannt werden will. Die absolute Zahl der Abtrünnigen sei im Vergleich zu den über 18.000 Beschäftigten in Deutschland zwar klein, bemessen an ihrem Stellenwert aber groß.

Diejenigen, die den Rüsselsheimern treu blieben, seien nicht die Schlechten, sagt ein zweiter Insider. Aber sie seien "schwer demotiviert", weil ihre Teams zerbrächen und sie die Arbeit der Kollegen, die gingen, mitmachen müssten. "Das kann zu einem Teufelskreis werden."

Beliebtes Abfertigungsprogramm

Nach dem mit der neuen Konzernmutter aus Frankreich beschlossenen Sanierungsplan sollen bis 2020 rund 3.700 Stellen in Deutschland abgebaut werden. Neben Altersteilzeit und vorzeitigem Ruhestand bietet Opel ein freiwilliges Abfertigungsprogramm an. Das alles findet so viel Anklang, dass der Opel-Betriebsrat vor einem Massenexodus warnte und mit weitaus mehr als den geplanten Abgängen rechnet. Die Personalabteilung bezeichnete das wiederum in einer Information an die Beschäftigten als "Ammenmärchen."

Bis Ende April hätten sich 1.000 Mitarbeiter für das Abfertigungsprogramm gemeldet. Aber eine Massenflucht von Leistungsträgern gebe es nicht. "Wir stellen sicher, dass alle Schlüsselpositionen besetzt bleiben und in einer gestrafften Organisation alle Bereiche funktionieren", sagte eine Firmensprecherin. Im Streit über ihre Vereinbarung riefen Betriebsrat und Unternehmen eine Einigungsstelle an, die Ende Mai wieder tagen soll. So lange sollen keine neuen Aufhebungsverträge abgeschlossen werden.

Der öffentlich ausgetragene Streit über die Sanierung zeigt das Dilemma, in dem der Mutterkonzern Peugeot jetzt steckt: Es muss harte Einschnitte geben, um den seit zwei Jahrzehnten defizitären deutschen Autobauer in die Gewinnzone zu führen - allerdings ohne die für den Erfolg notwendige Expertise zu verlieren.

Wechsel zur Konkurrenz

Schon seit vergangenem Jahr verließen namhafte Ingenieure Opel, nachdem Karl-Thomas Neumann den Chefposten im Sommer quittiert hatte. Der bekannte Automanager widmet sich mittlerweile mit einem Start-up in Kalifornien der Entwicklung von Elektroautos. Seine einstige Kollegin und Verbündete im Opel-Management, Marketingleiterin Tina Müller, wurde Chefin der Parfümeriekette Douglas. Im Netzwerk Linked-in finden sich weitere Jobwechsel: Der frühere Chefingenieur für den Opel Insignia, Andreas Zipser, heuerte beim Autozulieferer Veritas an. Die einst auf Kleinwagen spezialisierte Ingenieurin Eggord Thomaschky kümmert sich seit diesem Jahr bei BMW um "Vehicle Dynamics". Ralf Hannappel, bei Opel als Elektromobilitätsleiter Mitentwickler des Ampera-E, fand als Chefingenieur ein neues Zuhause bei Jaguar Land Rover in Großbritannien. Der Dax-Konzern Continental schnappte sich mit Florian Koch einen Experten für Fahrerassistenzsysteme. Auf Anfrage wollte sich keiner der Genannten zum Jobwechsel äußern.

Ein anderer Ex-Opelaner erzählt: In seinen letzten Arbeitswochen im März sei kaum ein Tag ohne Abschiedsfest vergangen. "Du rufst irgendwen an, und der sagt: Ich gehe in zwei Wochen." In seiner Abteilung hätten sich die Ereignisse derart überschlagen, dass eine geordnete Übergabe der Aufgaben kaum möglich gewesen sei. Nachbesetzungen seien bis wenige Tage vor seinem Ausscheiden nicht gelungen. "Und dann sollte ich die Neuen innerhalb weniger Stunden einarbeiten - das klappt natürlich nicht."