Irgendwann ging einfach gar nichts mehr. Bis vor fünf Jahren arbeitete Carina Herrmann (35) als Kinderkrankenschwester, hatte eine unbefristete und gut bezahlte Stelle, eine schöne Wohnung, Freunde und Familie im engen Umkreis. Doch obwohl ihr klar war, dass sie glücklich und zufrieden sein müsste, lag sie morgens im Bett und fand keinen Grund, aufzustehen. Die intensive Arbeit auf der Kinderkrebsstation hatte die junge Deutsche ins Burnout getrieben. Sie stellte fest, dass das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, nicht das war, das sie leben wollte und konnte. Während andere in einer ähnlichen Situation abstumpfen oder resignieren, traf sie eine folgenschwere Entscheidung: Ein Jahr Auszeit nehmen und auf Weltreise gehen. Doch bei dieser begrenzten Pause blieb es nicht.

Abschied vom bisherigen Leben


„Wenn man einmal an diesem Punkt im Leben war, an dem die Distanz als Krankenschwester und der innere Abstand verloren gegangen sind und man das nicht wiederfinden kann, ist es sinnvoll, sich komplett von diesem Leben zu verabschieden“, schreibt Carina Herrmann in einem ihrer Blogs. Damals wurde die Idee geboren, sich als Reisebloggerin selbstständig zu machen. Überall auf der Welt arbeiten zu können war der neue Traum. Ein Blog für alleinreisende Frauen sollte sie diesem Ziel näher bringen: „Als ich mich 2013 mit dem professionellen Bloggen beschäftigt habe, gab es keine Blogs im deutschsprachigen Raum, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es wurde Zeit, diese Lücke zu füllen.“

Mutmacherin

Herrmann nahm eine Stelle an und begann, an pinkcompass.de zu basteln. Schnell erkannte sie, dass sie auf das richtige Pferd gesetzt hatte, die Zugriffe stiegen rasant. Sie steckte ihre ganze Kraft und Energie in das neue Projekt, lernte täglich dazu – ob es nun um Online-Marketing, Reichweitenmaximierung oder das Schreiben von Beiträgen ging. Bald veröffentlichte Herrmann ihre ersten E-Books, immer mehr Frauen ließen sich von ihr zum Alleinreisen motivieren. Sie konnte ihre Stelle aufgeben und sich ganz der Selbstständigkeit widmen.


Aus der Reisebloggerin wurde mehr und mehr eine Unternehmerin. Eine weitere Idee formte sich: Frauen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen, Mut zu machen und Wissen zu vermitteln. „Mädchen wird ganz oft gesagt, sie können dies oder jenes nicht, eben weil sie Mädchen sind. Wir unterliegen der Rollenverteilung – immer noch. Frauen kämpfen in der Regel viel häufiger mit Selbstzweifeln und der Angst, nicht gut genug zu sein“, erklärt Carina Herrmann den Entschluss, ihren zweiten Blog zu gründen.


Und so dreht sich bei um180grad.de alles darum, wie frau erfolgreich ein Online-Unternehmen gründen, bürokratische Hürden meistern und sich vom Erwartungsdruck anderer lösen kann. Dabei spielt die gegenseitige Unterstützung eine große Rolle: „Wir neiden einander immer noch viel zu häufig den Erfolg. Zudem spricht man sich unter Frauen seltener Lob aus. Wir sollten als Erstes lernen, andere zu unterstützen und deren Erfolge zu feiern, statt uns selbst damit zu vergleichen und unzureichend zu fühlen.“


Für eine gleichberechtigte Zukunft wünscht sie sich, dass "ich selbst bestimmen kann, wie ich mein Leben gestalte. Dass ich keine Angst haben muss, wenn ich alleine unterwegs bin. Dass Männer die gleichen Rechte haben, was ihre Kinder angeht, wie Frauen. Dass Männer und Frauen die gleichen Chancen und Möglichkeiten im Leben haben. Nicht mehr und nicht weniger.“

TANJA HASER