Nach jahrelangen Ermittlungen wegen Betrugs- und Pyramidenspielverdachts gegen die Grazer Rabattfirma Lyoness hat diese einen juristischen Erfolg erzielt. Das Wiener Straflandesgericht hat das Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft teilweise eingestellt. Der Gerichtsbeschluss ist aber nicht rechtskräftig, die Staatsanwälte überlegen, ob sie dagegen Beschwerde einlegen.

"Wir prüfen, ob wir Rechtsmittel erheben", sagte Norbert Hauser von der WKStA am Montag auf Anfrage der APA. Zwei Wochen haben die Ermittler Zeit; der Gerichtsbeschluss, der der APA vorliegt, ist noch nicht rechtskräftig.

Kein Pyramidenspiel

Die vom Gericht verordnete Einstellung betrifft die Vorwürfe des schweren gewerbsmäßigen Betrugs sowie des Pyramidenspiels gegen Lyoness-Gründer Hubert Freidl und die Lyoness Europe AG.

Nicht eingestellt hingegen werden die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kapitalmarktgesetz (KMG). Hier geht es um Vorschriften, die Kapitalmarktprospekte betreffen.

Freidl war mit seinem Einstellungsantrag zum großen Teil erfolgreich. Er hatte in den vergangenen Monaten mehrere Versuche unternommen, dass die Ermittlungen gegen ihn beendet werden. Die WKStA war seinem Ersuchen aber bisher nicht nachgekommen.

Keine Äußerung

Vom Unternehmen selbst hieß am Montag auf APA-Anfrage lediglich, dass man sich zu laufenden Verfahren grundsätzlich nicht äußere. "Aber natürlich freuen wir uns über diese Entwicklung."

Die WKStA hat seit 2012 gegen die Unternehmensgruppe Lyoness ermittelt. Ins Rollen gebracht wurde das Verfahren von angeblich geschädigten Beteiligten, die eine mehrere hundert Seiten dicke Anzeige erstattet hatten.

Kritik an Verrechnungssystem

Die Staatsanwaltschaft verdächtigte Freidl, von 2003 bis 2014 ein Schneeballsystem betrieben zu haben. Bei dem "Verrechnungssystem" soll den Teilnehmern gegen einen Einsatz, "nämlich eine Anzahlung zur Erlangung einer Premium-Mitgliedschaft, der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aber kein tatsächlicher Gegenwert gegenüber gestanden haben und mit dem Risiko des Totalverlustes behaftet gewesen sein soll", ein Vermögensvorteil, nämlich eine Gutschreibung bzw. Zurechnung zur restlichen Aufzahlung, in Aussicht gestellt worden sein, wie es im Gerichtsbeschluss heißt. Die Bedingung laut Staatsanwaltschaft: Dem System mussten "unter den gleichen Bedingungen weitere Teilnehmer zugeführt werden ..."

Freidl soll "als Direktor, Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigter des Lyoness-Konzerns die unternehmerischen Voraussetzungen geschaffen" haben ..., ein hierarchisch gegliedertes Vertriebssystem aufzubauen ..." Bei Werbeveranstaltungen soll er "die Teilnahme am Pyramidenspiel" "in führender Funktion beworben und dadurch Teilnehmer zur Einsatzleistung veranlasst ... haben". So sei eine "größere, zehn Personen bei weitem übersteigende Zahl von Menschen im Ausmaß von jeweils über 3.000 Euro geschädigt worden", so der Vorwurf.

Kein Vermögensverlust

Das Landesgericht für Strafsachen sieht das anders - der Straftatbestand des Pyramidenspiels sei aus mehreren Gründen nicht gegeben. Bei Lyoness hätten Mitglieder Waren oder Dienstleistungen zum Gegenwert von Gutscheinen, somit ein Anwartschaftsrecht, erworben. "Für die Mitglieder gab bzw. gibt es zudem die - zeitlich unbeschränkte - Möglichkeit, die verbleibende Restsumme alternativ zu generieren", so das Gericht. Im Lyoness-Treuhandprogramm sowie in den AGB würden diese Möglichkeiten, etwa Aufzahlung des Restbetrags oder Verkauf der Mitglieds-ID, ausführlich beschrieben.

"Durch diese Möglichkeiten kann von einem Vermögensverlust für die Mitglieder, der auf die Ausgestaltung des Systems zurückzuführen wäre, nicht gesprochen werden, sodass man die hier zu leistende Anzahlung nicht als 'Einsatz' im Sinne des § 168a StGB (Ketten- oder Pyramidenspiele, Anm.) ansehen kann", schreibt der Richter. In dem Beschluss führt er auch die "durchaus als attraktiv einzustufenden Einkaufspartner, wie etwa Kika, OMV, Libro etc." ins Treffen, über die Lyoness verfügt habe bzw. verfüge. Die Anwerbung weiterer Mitglieder sei zudem nur für den Erwerb der "Treueprämie" nötig gewesen, nicht aber für die Treuegutschrift.

Weder der Pyramidenspiel-Tatbestand noch jener des Betrugs sind aus Sicht des Gerichts gegeben. Wenngleich der Richter bemerkte, dass das Lyoness-System inhaltlich "teilweise nur schwer möglich" bzw. "möglicherweise auch zivilrechtlich bedenklich" sein möge.

Verstoß gegen Prospektpflicht

Nicht vom Tisch ist dagegen der Vorwurf, Freidl habe "von 2008 bis 2009 nach dem KMG prospektpflichtige Veranlagungen (Werbekampagnen und Option 'Premium Ranking Europe') ohne zeitgerechte Veröffentlichung eines kontrollierten Prospekts öffentlich angeboten und dadurch gegen die Strafbestimmung § 15 Abs. 1 KMG verstoßen." Die Weiterführung der Ermittlungen zu diesem Vorwurf erweisen sich nach Ansicht des Gerichts als "notwendig".

Der Lyoness-Ermittlungsakt ist mittlerweile auf 48 Bände angewachsen, geht aus dem Gerichtsbeschluss weiters hervor.

Das Unternehmen aus der Steiermark betreibt eine Einkaufsgemeinschaft und ist laut Eigenangaben in 46 Ländern aktiv. Fünf Millionen Mitglieder und mehr als 50.000 Partnerunternehmen zählt der Konzern.