Es ist eine neue Produktgattung, die sich in der Wohlstandsgesellschaft über die Jahre entwickelt hat: das Altbrot.

Es bleibt am Ende eines Verkaufstages in Bäckereien und im Handel übrig und macht in Österreich bereits 20 bis 25 Prozent der gesamten hergestellten Menge an Backwaren aus. Das heißt: Mindestens jedes fünfte Brot bleibt liegen. Tonnen an Brot und Gebäck landen im Müll.

Und es wird nicht besser. Meist sind beide Eltern berufstätig, eingekauft wird zunehmend am späten Nachmittag und das Bedürfnis nach frischen Backwaren und vollen Regalen rund um die Uhr wird nicht kleiner.

Während die Brotberge wachsen, regt sich der Unmut. „Dass es so weit gekommen ist, ist bedenklich und traurig“, sagt Martin Vallant, Bäcker aus St. Veit und Innungsmeister in Kärnten. Vallant versucht, sein altes Brot günstiger zu verkaufen bzw. gibt es Bauern als Tierfutter. Allerdings hat er Angst, dass das durch neue Tierfutter-Verordnungen bald nicht mehr möglich sein wird. Der Großteil des Altbrots wird österreichweit zu Tierfutter vermahlen – etwa in der Assmann-Mühle in Guntramsdorf, die auch Brot aus Kärnten verarbeitet.

Dass Altbrot immer öfter als Bio-Brennstoff verwendet wird, stößt Vallant auf. „Es ist immer noch ein Lebensmittel.“ Ins gleiche Horn bläst Richard Gassler, der mit seiner Firma Agra in Maria Rain Speisereste recycelt: „Ich halte es für schändlich, Altgebäck zu verbrennen, das am Vortag noch im Regal gelegen ist.“ Laut Stefan Dareb, dem Geschäftsführer der Landesinnung Lebensmittel, gibt es bereits Bäcker, die mit ihrem eigenen Brot heizen – aber in anderen Bundesländern.

Der steigende Anteil der Retourware erhöht die Preise. Die meisten Bäcker beugen sich dem Druck der Lebensmittelketten und nehmen Retourwaren kostenlos zurück. Nicht so Edwin Storfer, Seniorchef der Knusperstube im Lavanttal, die in Kärnten laut eigener Auskunft Marktführer ist und unter anderem den Diskonter Hofer bestückt. „Wir liefern nicht auf Kommission, nehmen keine Retouren“, sagt Storfer, der weiß: „Bis zu 30 Prozent kommt sonst zurück und unsere Abnehmer werden dann auch schlampig beim Bestellen.“

Die 500 Stück Gebäck Überproduktion pro Tag steckt Storfer in Werbe-Sackerln und macht damit Marketing. „Samstags kommt die Österreich-Tafel und holt das Altbrot ab.“ Handelsketten, die auf Altbrot-Zurücknahme bestehen, beliefert er nicht mehr.

Überhaupt: der Handel. Er passt sich den Konsumenten an, die stündlich frisches Brot und Gebäck wünschen. Man muss schauen, wo man bleibt, denn der Brotkonsum ist leicht rückläufig: Die Familien werden kleiner, die Tendenz geht zu Kleingebäck. Laut Spar-Sprecherin Nicole Berkmann gibt Spar das Altbrot wenn nicht an die Bäcker, so an Tafelorganisationen bzw. Sozialmärkte. Auch Rewe und Hofer machen das laut eigener Auskunft so. „Lebensmittelüberschüsse machen bei uns nur 0,6 Prozent unseres Lebensmittelumsatzes aus“, lobt sich Hofer.

Ist der Konsument schuld am Brotberg? „Schuld ist er nicht“, sagt Vallant. „Aber verwöhnt.“