Offenbar war das jetzt fällig: Ein Holzbrett und ein paar Kochlöffel in einem Grazer Bioladen reichten aus, um breite Debatten rund um die Überregulierung der heimischen Wirtschaft zu befeuern. Die Wogen gehen hoch, denn fast jeder Unternehmer kann Gruselgeschichten über abstruse Vorschriften oder Zertifizierungsorgien erzählen.

Dass Bioladen-Betreiberin Ushij Matzer für ihren Entschluss, notfalls für die Verwendung von Holzbrettern ins Gefängnis zu gehen, so viel Beifall erhält, ist freilich auch den im Februar 2015 anstehenden Wahlen zur Wirtschaftskammer geschuldet. Die Frau wusste gar nicht, wie ihr geschieht: Bundes-Kammerpräsident Christoph Leitl und der steirische Kammerchef Josef Herk kündigten an, mit Matzer ins Gefängnis zu gehen. Herk stattete dem Laden gestern vorsorglich einen Besuch ab.

"Dutzende Unternehmer" wollen ins Gefängnis

Mittlerweile sollen laut Kammer bereits „Dutzende Unternehmer“ darauf brennen, sich in den Häfen zu begeben. Auch andere Bürger melden sich fürs Gefängnis an – die Bereitschaft zum „Wutbürgertum“ ist groß.
Der Grat zwischen Pose, Posse und ehrlicher Empörung dürfte im Einzelfall eher schmal sein. Doch die Gefahr, dass die Gefängnisse wegen Überfüllung schließen, ist ohnedies gering: Ersatz-Arrest gibt es nämlich nur bei Uneinbringlichkeit einer Strafe. Zuvor wird vom Exekutor gepfändet. Der dürfe auch Waren und Geld aus dem Bioladen holen, sagt die Stadt Graz.

Doch die Wirtschaftskammer hält kräftig dagegen: Frau Matzer habe sämtliche Besitztümer überschrieben und sei daher „juristisch mittellos“, sagt Herk nach dem Bioladen-Besuch. Die Betroffene selbst bleibt dabei: Sie sei entschlossen, alles zu tun, um den Ersatz-Arrest anzutreten.

"Chuzpe der ÖVP"

Ins Gefecht eingetreten ist auch die Landtagsklubobfrau der Grünen, Sabine Jungwirth: Es sei „Chuzpe“, wenn sich nun jene ÖVP-Funktionäre solidarisch erklärten, auf deren „Mist“ die Gesetze gewachsen seien. Denn für die Gewerbeordnung sei immer die ÖVP zuständig gewesen.
Dieses Argument zieht freilich nur bedingt. Denn erstens geht es nicht ums Gewerberecht, sondern um eine Hygieneleitlinie, die vom (SPÖ-geführten) Gesundheitsministerium auf Basis von EU-Recht erlassen wurde. Zweitens ist für den Vollzug das Gesundheitsamt der Stadt Graz zuständig. Wirtschaftsbunddirektor Kurt Egger warf Jungwirth prompt „polemische Wahlkampfmanier“ vor. Der Kochlöffel sei Symbol für die Überregulierung im Lande.

Magistrat: "Sind Bioladen entgegengekommen"

In der ursprünglichen Frage – ob nämlich Holzbretter verboten sind und wo das steht – scheiden sich nach wie vor die Geister. Der Direktor des Grazer Magistrats, Martin Haidvogl, hält fest: Da der Bioladen für Kindergärten koche, handle es sich um eine „Speisen produzierende Einrichtung der Gemeinschaftsverpflegung“. Fürs Gesetz ist das eine Großküche, Holz ist dort – im Unterschied etwa zu Buschenschenken oder Konditoreien – verboten.
Man sei dem Bioladen ohnedies entgegengekommen und habe Holz erlaubt, sagt der Magistrats-Chef. Nur habe man verlangt, dass abgesplitterte Holzutensilien ausgetauscht werden. Für Matzer ist dies eine „Schmutzkübelkampagne“, denn sie habe keineswegs abgesplitterte Löffel verwendet. Im Magistrat wiederum verweist man auf abgenützte Holztische in der Bioladen-Küche.

Wie auch immer – die Frage nach der Überregulierung im Wirtschaftsleben bedrängt jedenfalls nicht nur viele Unternehmer, sondern macht auch den Behörden zu schaffen. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl fordert nun generell eine Totalentrümpelung der Vorschriften, besonders im Bauwesen und in der Gastronomie. Nagl: „Ich halte es nicht mehr aus, dass Bund und Land pausenlos Novellen rauslassen. Der Vollzug dieser Gesetzesflut ist nicht möglich.“ Vorschlag des Bürgermeisters: Die Bau-, Lebensmittel- und Hygienevorschriften sollten nicht bloß korrigiert werden – das wäre ja wieder nur eine Novelle –, sondern man möge „bei null“ beginnen und sie neu formulieren.

Der Vorschlag ist gut, aber die Umsetzung ist ungefähr so realistisch wie bei einem kürzlich geäußerten Wunsch Leitls. Der hat nämlich zu Wochenbeginn Stein und Bein geschworen, dass der Wirtschaftskammer-Wahlkampf „erst im Jänner beginnt“. Wenn man die Holzbrett-Affäre betrachtet, darf man sagen: An der breiten Durchsetzung dieser Vorgabe muss noch intensiv gearbeitet werden.