Der Koalitionsfriede zwischen SPÖ und ÖVP in der Landesregierung wird nun durch einen Querschuss gestört: Der Chef der SPÖ-Gewerkschaftsfraktion FSG, Klaus Zenz, will "frustrierte" ÖVP-Gewerkschafter abwerben. Dazu attackiert er direkt ein Mitglied der gemeinsamen Landesregierung, nämlich Landesrat und ÖAAB-Chef  Christopher Drexler. Und auch der Chef der roten Landarbeiterkammergewerkschafter, Markus Dick, griff den ÖVP-Arbeitnehmerbund frontal an.

Für Drexler sei "länger Hackeln gut und die Zerschlagung einer funktionierenden Sozialversicherung noch besser", behauptet Zenz in einem Rundschreiben. Drexler verteidige einseitig Positionen der schwarz-blauen Bundesregierung und habe für die arbeitende Bevölkerung im Lande nichts übrig. Zenz: „Es ist schon eigenartig, wenn an den Chef des steirischen Arbeiter- und Angestelltenbundes nie Probleme mit der verschärften Arbeitszeit herangetragen werden."

Zenz bezieht sich auf den jüngsten ÖAAB-Landestag am vergangenen Samstag. Dieser Tag müsse "für jeden Gewerkschafter unter den Teilnehmern ein trauriger Tag gewesen sein". Nicht einmal die von der Bundesregierung gewollte "Beschneidung der Mitwirkungsrechte" führe zu Widerworten des ÖAAB. Deshalb könne sich ein Arbeitnehmer "von dieser bloßen Regierungsverteidigungs-Aktion" nicht vertreten fühlen.

Zenz: "Wenn ich ArbeitnehmerIn bin und von meiner Vertretung kein einziges Wort zugunsten der eigenen Interessen höre, bekomme ich – auf gut Steirisch – einen Schleim. Daher laden wir die frustrierten ÖAAB-lerInnen ein, das Angebot der FSG anzunehmen und zu uns zu wechseln." Denn bei den roten GewerkschafterInnen gebe es diesen "Verrat" nicht.

Ins selbe Horn stieß Markus Dick, seit dem Sommer Chef der roten Landarbeiterkammer-Fraktion. Gerade in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau, wo die Bedingungen nicht immer leicht sind, verteidige der ÖAAB den 12 Stunden Tag beziehungsweise die  60 Stunden Woche. "Wir, die FSG Landarbeiterkammer, sind strikt gegen das Gesetz, denn 40 Stunden sind genug pro Woche, gerade bei gefährlicher und körperlich anstrengender Arbeit." Was die Wirtschaft verlange, sei in diesen Sparten nicht umzusetzen.

ÖAAB reagiert mit mildem Spott

Diese Attacke ist nicht nur bemerkenswert angesichts der gemeinsamen rot-schwarzen Landesregierung (Zenz hat sie als Landtagsabgeordneter mitgewählt). Sondern sie ist auch von Zeitpunkt und Anlass her ziemlich kurios: Drexler wurde nämlich beim ÖAAB-Landestag nicht mit "Schleim und Frust" konfrontiert, sondern mit einem neuen Rekordergebnis von 99,3 Prozent zum vierten Mal als ÖAAB-Chef bestätigt. Deshalb reagiert Drexlers Stellvertreterin Barbara Riener mit mildem Spott: "Frustrierte ÖVP-Gewerkschafter, wie sie der FSG-Chef gerne orten möchte, kann man lange suchen. Der ÖAAB-Landestag war für jeden Gewerkschafter ein freudiger Tag!“ Die SP-Gewerkschafter zeigten "wohl erste Nervosität in Hinblick auf die Arbeiterkammerwahl", vermutet Riener.