Der Wirbel war beträchtlich, als Österreich vor elf Jahren seinen Beitrag zum Erreichen der EU-Klimaziele bis 2020 bekannt gab. Um schlanke 16 Prozent sollten die Treibhausgasemissionen in der Republik im Vergleich zum Jahr 2005 absinken. Ein verhältnismäßig bescheidenes Ansinnen, zumal Österreich 2005 einen historischen Höchststand bei den Emissionen erlebt hatte und diese längst wieder im Sinken begriffen waren. Fast ein Selbstläufer sei das Ziel, wie es damals hinter vorgehaltener Hand gerne hieß. Ein Bauchfleck Österreichs wie einst bei den (deutlich ambitionierteren) Kyoto-Zielen sollte damit ausgeschlossen sein.

Inzwischen ist das Zieljahr 2020 ins Land gezogen und rückblickend wissen wir: Statt weiter zu sinken, begann der CO2-Ausstoß der Republik bald zu stagnieren und wieder anzusteigen. Vor allem der Verkehr wuchs und wuchs und vergällte Klimabilanz um Klimabilanz. Je näher das Zieldatum rückte, desto mehr begann das Erreichen des einst als so einfach gefeierten Ziels zu wackeln. Mit den neuesten verfügbaren Daten des Umweltbundesamts steht nun so gut wie fest: Es wird sich unter dem Strich wohl doch ausgehen. Sichergestellt wird das allerdings just durch den Einbruch bei den Emissionen bedingt durch die heurige Coronakrise.

Grafik: So sind Österreichs Treibhausgasemissionen (ohne den Emissionsrechtehandel) im Vergleich zum Zielpfad (ab 2013) verlaufen
Grafik: So sind Österreichs Treibhausgasemissionen (ohne den Emissionsrechtehandel) im Vergleich zum Zielpfad (ab 2013) verlaufen © Fotolia

Wie stark dieser Rückgang am Ende tatsächlich ausfällt, ist für die Experten zwar noch nicht exakt vorherzusagen. „Beim Verkehr rechnen wir für heuer aber mit einem Minus bei den Emissionen im einstelligen Prozentbereich, auch im Produktionssektor dürfte es ähnlich sein. Der Bereich des Heizens dürfte stagnieren“, sagt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. Das könnte, muss aber nicht genügen, um heuer tatsächlich auf die geforderten minus 16 Prozent zu kommen.

Abgerechnet wird nicht erst heuer

Was Österreich in Kombination mit dem Corona-Effekt aber die Haut retten dürfte, ist eine Besonderheit der europaweiten Klima-Vereinbarung: Gewertet wird nämlich nicht nur das heurige Jahr, sondern der gesamte Zeitraum zwischen 2013 und 2020, für den ein Zielkorridor festgelegt wurde (siehe Grafik oben). Weil Österreichs Emissionen anfangs aufgrund der damals noch günstigen Ausgangslage deutlich unterhalb dieses Korridors lagen, wurden dem Land Emissionen gutgeschrieben, die es jetzt, wo es deutlich oberhalb des Korridors liegt, einlösen kann. So hätte Österreich sein Ziel auch dann erfüllt, wenn es heuer um 2,9 Millionen Tonnen mehr CO2 ausstößt, als es den vereinbarten minus 16 Prozent entsprechen würde. Das wiederum dürfte durch die Coronakrise sichergestellt sein.

Doch die Fachleute des Umweltbundesamts sind um Relativierung bemüht. „Der Kriseneffekt mag uns kurzfristig bei der Zielerreichung geholfen haben. Auf längere Sicht aber bringt uns das gar nichts“, sagt Lichtblau. Die Kurve des Treibhausgasausstoßes zeigt seit Jahren nach oben und verläuft damit gegengleich zum Zielkorridor. Bis 2030 müssen Österreichs Emissionen um zumindest 36 Prozent sinken. Eine Verpflichtung gegenüber der EU, die in den nächsten Jahren sogar noch nachgebessert werden dürfte. 2040 schließlich sollte der Treibhausgasausstoß nach den Plänen der Bundesregierung bei annähernd Null sein. „Das wird die eigentliche Herausforderung und ist nur schaffbar, wenn die Klimaschutzmaßnahmen deutlich intensiviert werden. Eine Krise hilft uns auf diesem Weg nicht weiter“, sagt Lichtblau.