Der nüchterne Blick des Geophysikers rückt manchen Irrtum zurecht. „Rein erdgeschichtlich betrachtet sind all die bisherigen Klimaänderungen ja nur sehr klein. Die Physik des Planeten würde auch noch mehr CO2 in der Atmosphäre bewältigen“, sagt Gottfried Kirchengast. Doch der Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz gibt zu bedenken: „Nicht der Planet ist gefährdet, wir Menschen sind es und die Tiere und Pflanzen mit uns, die wir uns so fein auf die heutigen Bedingungen eingestellt haben.“ Bedingungen, die durch den ungebremsten Treibhausgasausstoß zunehmend aus den Fugen geraten – und das nicht nur in exotischen Weltgegenden, sondern auch hierzulande.

Der Alpenraum und speziell das östliche und südliche Alpenvorland erweisen sich als eines jener Gebiete, in denen sich die Erwärmung besonders stark niederschlägt. Während die globalen mittleren Temperaturen seit dem 19. Jahrhundert um etwa ein Grad gestiegen sind, liegen sie bei uns bereits zwei Grad höher. Und damit nicht genug: Im Sommer wirkt sich die Erwärmung hierzulande noch stärker aus als in den Wintermonaten. „In der Südoststeiermark hatten wir in den 1970er-Jahren ein Sommer-Mittel von rund 18 Grad. Heute liegen wir bereits bei 21 Grad. In Teilen Kärntens sind es ebenfalls schon zwei bis drei Grad mehr als damals“, sagt Kirchengast.

Immer mehr Hitzetage

Vor allem die Temperaturspitzen sind es, die nach oben schießen und somit auch die Durchschnittswerte antreiben. So belegen Daten der Zentralanstalt für Meteorologie (Zamg), dass die Zahl der Hitzetage mit mehr als 30 Grad Celsius seit den 1970ern in Südösterreich um das Fünffache zugenommen hat – von einst weniger als fünf pro Sommer auf inzwischen mehr als 20. Ein Effekt, der sich schon heute darin niederschlägt, dass die Trockenheit zunimmt, die unter anderem den Ackerbauern zu schaffen macht.

Dass es noch schlimmer wird, ist quasi fix gebucht. Denn selbst wenn es der Weltgemeinschaft gelingt, die globale Temperaturzunahme auf unter zwei Grad zu begrenzen, rechnet Kirchengast in diesem Fall hierzulande mit einer Erwärmung um etwa vier, im Sommer sogar bis sechs Grad. „Damit nimmt auch die Dürreneigung weiter zu und Dürreregionen breiten sich in Nachbargebiete aus, was den Effekt noch verstärkt.“ Und das ist der günstigste Fall.

Bedingungen wie in Nordafrika

Gelingt es dagegen nicht, die Erwärmung einzudämmen, drohen weiten Teilen des Alpenvorlands Bedingungen, wie man sie heute aus Nordafrika kennt. „Liefe der CO2-Ausstoß so weiter wie bisher, müssten wir uns auf wochenlange Phasen mit 40 bis 50 Grad einstellen. Das südöstliche Alpenvorland würde sich im Sommer um 10 bis 15 Grad erwärmen“, sagt der Klimaforscher. Die Sommertemperatur könnte dann im Durchschnitt mehr als 30 Grad betragen. „Die Menschen müssten sich dann ins Gebirge zurückziehen, was enorme Schwierigkeiten mit sich bringen würde.“ Denn in diesem Fall würde in der Ebene auch eine Umstellung auf trockenheitsresistentere Anbausorten nichts mehr helfen. „Die Pflanzen wachsen in da einfach nicht mehr. Wir sprechen dann von einer Versteppung, Flüsse würden teils zu trockenen Wadis werden“, sagt Kirchengast.

Die Niederschläge kämen in so einem Fall vor allem in Form von Extremereignissen. „Wir gehen für Südösterreich grob gesagt davon aus, dass kleinräumuge Starkniederschläge pro Grad Erwärmung um etwa zehn Prozent intensiver ausfallen“, sagt der Forscher. Die Poren der Böden können das Wasser in diesem Fall nicht mehr aufnehmen, immer stärkere Überschwemmungen mit wachsenden Schäden sind die Folge.

Anders die Situation im Winter. „Da fällt die Erwärmung im Alpenraum moderater aus. Allerdings kommt die Temperaturzunahme in größeren Höhen stärker zum Tragen als in den Tälern“, sagt Kirchengast. Gletscherforscher gehen davon aus, dass bei fortgesetzter Erwärmung, die im Winter in den Alpen immer noch mehr als sechs Grad betragen kann, in der zweiten Jahrhunderthälfte sämtliche Gletscher des Landes verschwinden. Österreich wäre damit über den Sommer komplett eisfrei.

Massenmigration als Gefahr

Und noch eine Folge erwarten Forscher: Werden weltweit Siedlungsgebiete unbewohnbar, steigt auch der internationale Migrationsdruck. „Diese erzwungene Migration gilt als einer der größten Effekte des Klimawandels überhaupt“, sagt Kirchengast. „Es gibt für all das nur eine wirksame Zukunftsvorsorge: ernsthaften Klimaschutz im Einklang mit den Pariser Klimazielen.“