"In unruhigen Zeiten braucht es Verlässlichkeit, Stabilität und Erfahrung" - so beginnt ein Brief von Bürgermeister Siegfried Nagl, den in den letzten Tagen Tausende Haushalte in Graz bekommen haben. Persönlich adressiert, ohne ÖVP-Logo oder Parteinamen, setzt Nagl voll auf die direkte Kommunikation.

"Nagl reizt damit wieder einmal die rechtlichen Möglichkeiten aus", findet FPÖ-Chef und Vizebürgermeister Mario Eustacchio, bis vor Kurzem auch Koalitionspartner der ÖVP. Und auch zahlreiche Leser der Kleinen Zeitung wundern sich, wie ihre persönlichen Daten von einer Partei verwendet werden können. Manche nutzen die Gelegenheit, um zurückzuschreiben - in Reimform, wie Susanna Moser (siehe Foto).

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Die ÖVP weist die Kritik zurück

Die ÖVP selbst weist die Kritik zurück. Alles sei rechtlich geprüft, als Partei dürfe man in wahlnahen Zeiten auf das Wählerevidenzregister zugreifen. Im Wahlkampf "nutzen wir unterschiedliche Kommunikationskanäle, auch der persönliche Brief an alle Wählerinnen gehört hier dazu", sagt ÖVP-Geschäftsführerin Anna Hopper.

Rechtlich sei wirklich alles sauber, bestätigt Christoph Bezemek, Dekan an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Graz. "Der Bürgermeister tritt hier klar als Wahlwerber auf und nicht als Organ."

Schon in den vergangenen Wahlgängen habe man zum Briefpapier gegriffen, heißt es aus der ÖVP. Damals wurden die Erstwähler angeschrieben, diesmal habe man sich entschieden, alle Wahlberechtigten anzuschreiben. Rund 200.000 Briefe wurden per Post verschickt, die Kosten will die Partei vorerst nicht verraten, seien aber beim Wahlkampfbudget von einer Million Euro (Parteiangabe) einkalkuliert.

Die SPÖ und ihre Pensionistenbriefe

Den ersten persönlichen Brief, der für Aufregung sorgt, hat Franz Vranitzky geschrieben. Der damalige Bundeskanzler und SPÖ-Chef hat im Wahlkampf 1995 alle Pensionisten angeschrieben, um die Pensionen für sicher zu erklären. Damals war die Aufregung enorm, 2007 hat es SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer trotzdem mit einem Pensionistenbrief 2.0 wiederholt.

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