Viele kennen in England ihre Bilder, wenige ihren Namen. Vor allem ein Bild ist vielfach verbreitet, nicht zuletzt dadurch, dass die britische Post es 2005 als Weihnachtsmarke in Umlauf brachte: „Madonna mit Kind“. Gemalt von Marianne Stokes hundert Jahre zuvor, 1905.

Werdegang. Geboren wurde die Künstlerin 1855 als Marianne Preindlsberger in Graz. Nach Studien in München und Paris heiratete die hoch begabte Tochter aus bürgerlichem Haus 1884 den britischen Landschaftsmaler Adrian Stokes (1854 – 1935). In der Stadtpfarrkirche ihrer Heimatstadt.

Mit Künstlern befreundet. Marianne Stokes war auch mit führenden skandinavischen Künstlern befreundet, darunter die Malerinnen und Malern der Skagener Schule oder die bedeutende Finnlandschwedin Helene Schjerfbeck. Die Stokes waren passionierte Reisende. Folge einer ihrer gemeinsamem Reisen in die Karpaten war 1909 das in London publizierte Buch „Hungary“. In ihm abgedruckt sind eindrucksvolle Porträtstudien von Bergbauern und Bergbäuerinnen, die auch volkskundlich von Bedeutung sind.

Retrospektive. Die Wolverhampton Art Gallery widmet Marianne und Adrian Stokes derzeit die erste Retrospektive, zu der auch ein von Kuratorin Magdalen Evans gut recherchierter biographischer Katalog erschienen ist. Zwei Künstlerleben im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert werden hier dokumentiert.

Religiosität. Marianne Stokes wechselte ab den 1890er-Jahren stilistisch vom Plein-air-Realismus zu einer stärker vom Symbolismus des beginnenden Jugendstils und von präraffaelitischen Einflüssen geprägten Kunst. Im Verlauf ihres kinderlos gebliebenen Lebens traten religiöse Aspekte immer stärker hervor.

Doppelschau. Zu sehen sind in der vom Publikum bestens angenommenen Doppelschau Leihgaben etwa aus der Londoner Tate Gallery, aus Museen in Pittsburgh und Manchester, auch aus vielen, hauptsächlich britischen Privatsammlungen. Ein Hauptwerk der Künstlerin fehlt leider, die im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hängende „Melisande“, gemalt Mitte der 1890er-Jahre.