Die Staatsanwaltschaft Graz wird gegen das Urteil im Identitäre-Prozess, der am Donnerstag zu Ende gegangen ist, volle Berufung einlegen, hieß es seitens der Anklagebehörde am Freitag. Alle 17 Angeklagten waren von den Vorwürfen Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung und Verhetzung freigesprochen worden, zwei wegen Sachbeschädigung, Nötigung und Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt.

Zehn Tage dauerte der Prozess gegen 16 Männer und eine Frau, die letztendlich alle von den Hauptvorwürfen freigesprochen wurden. Dagegen will die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ergreifen und Berufung anmelden, erklärte der Leiter der Anklagebehörde, Thomas Mühlbacher auf APA-Anfrage. Sowohl gegen die Freisprüche als auch gegen die Höhe der Strafen wird es eine Berufung geben.

Da der Fall vor einem Einzelrichter verhandelt wurde, wird das Oberlandesgericht (OLG) als nächste Instanz am Zug sein. Dort gibt es die Möglichkeit, das Urteil aufzuheben und den Fall zur Neuverhandlung an das Straflandesgericht zurückzuweisen. Andererseits könnte auch die gesamte Berufung verworfen werden. Die dritte Möglichkeit ist, dass das OLG selbst eine Beweiswürdigung vornimmt und im Falle einer Verurteilung selbst die Strafen festsetzt.

Strafrechtler Fuchs über Anklage "zumindest unglücklich"

Den Strafrechtler Helmut Fuchs hat der weitgehende Freispruch für 17 Anhänger der Identitären Bewegung Österreich "am Donnerstag nicht überrascht". Er habe der Anklage nichts entnehmen können, was den Tatbestand der Verhetzung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung erfüllt. Der Experte findet es "beruhigend", dass das Gericht sehr bemüht gewesen sei, diesen unbestimmten Tatbeständen klare Konturen zu geben, um damit Missbräuche zu verhindern.

Dass überhaupt Anklage erhoben wurde, findet der frühere Vorstand des Strafrechtsinstituts der Uni Wien "zumindest unglücklich". Er befürchtet nun, dass der Freispruch "politisch falsch verstanden werden könnte", er hoffe nicht, dass der Eindruck entstehe, die Justiz ginge nicht gegen Rechtsradikale vor. Es gehe darum, ob eine konkrete Straftat erfüllt werde und konkrete Straftaten habe das Gericht auch verfolgt, meinte Fuchs im Gespräch mit der APA.

Der Strafrechtsexperte regte als Konsequenz an zu überlegen, dass über derartige Anklagen künftig nicht eine einzelne Staatsanwaltschaft entscheiden sollte. Überlegenswert wäre seiner Ansicht nach, das Weisungsrecht zu stärken, damit das Ministerium eingreifen kann und nur dann Anklage erhoben wird, wenn eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheint.

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DÖW hält an Einstufung als rechtsextrem fest

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) bleibt bei seiner Einstufung der IBÖ als rechtsextrem. Gleichzeitig verwies das DÖW am Donnerstag auf Artikel 9 des Staatsvertrags, wonach Österreich sich völkerrechtlich verpflichtet hat, "alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen".

Das DÖW hält in einer Stellungnahme auf seiner Internetseite auch fest, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus nur in manchen Fällen mit strafrechtlichen Mitteln erfolgen könne. Sie bleibe vorrangig eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Konkret zum Urteil verweist das DÖW auf die Novellierung des Verhetzungsparagrafen 2015. Demnach ist es für eine Verurteilung nicht hinreichend, den objektiv hetzerischen Charakter von Aussagen nachzuweisen. Vielmehr müsse nun nachgewiesen werden, dass den Aussagen eine entsprechende Absicht zugrunde lag. Damit sei eine Hürde errichtet worden, die nach Dafürhalten des Gerichts in diesem Verfahren offenbar nicht überwunden worden sei.