Den Ursachen für sexuellen Missbrauch durch Kleriker wollen Theologen und Ethiker auf einer Theologischen Fachtagung am kommenden Freitag an der Universität Graz nachgehen. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die Machtstrukturen in der Kirche den Missbrauch begünstigen, teilte die Universität Graz am Montag mit.

Die Aufdeckung von sexueller Gewalt durch katholische Geistliche empört und rüttelt an der Glaubwürdigkeit der Kirche. "Es ist die Verantwortung der Wissenschaft, zur Aufklärung beizutragen, die Ursachen zu benennen und damit die Möglichkeit zur Veränderung zu schaffen", betonte Gunda Werner. Die Theologin und Philosophin leitet das Institut für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz.

Etablierte Machtverhältnisse

Aus Werners Sicht gebe es "genuin kirchliche Strukturen, die den Missbrauch und auch dessen Verschleierung begünstigen". Dazu zählen laut Werner Identitätsverständnisse, mangelnde sexuelle Reife und eine doppelte gläserne Decke, die etablierte Machtverhältnisse zementiere. "Die Kirche muss sich auf die Perspektive der Opfer einlassen, das ist die einzige Möglichkeit, mit dem Skandal umzugehen", so die Theologin. Auf der Grazer Tagung will man die unterschiedlichen Aspekte des Themas in einem theologischen Fachgespräch zusammenbringen, um die gewaltbegünstigenden Verhältnisse zu beleuchten.

Organisiert wurde die Veranstaltung von Werner und ihrer Kollegin vom Institut für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, Irmtraud Fischer. Als Redner stehen neben Werner und Fischer u.a. auch der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet und der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke am Programm. An der abschließenden Podiumsdiskussion wird neben anderen Referenten auch Birgit Posch-Keller von der Ombudsstelle der Diözese Graz-Seckau teilnehmen. Die Tagung im Universitätszentrum Theologie ist für alle Interessierten kostenlos zugänglich.