Zweiter Teil der 69. Vierschanzentournee: Ab 14 Uhr (ORF 1 live) heben die Weitenjäger in Garmisch in das traditionelle Neujahrsspringen ab. In aussichtsreichster Position aus rot-weiß-roter Sicht lauert nach dem Auftakt in Oberstdorf Stefan Kraft als Gesamtsechster. Sein Rückstand auf den Führenden Karl Geiger beträgt 17,5 Punkte. „Es ist cool, dass ich noch im Kampf um den Gesamtsieg dabei bin, der Abstand ist noch überschaubar. Es hätte in Oberstdorf auch ganz anders laufen können. Daher bin ich mit meiner Platzierung sehr zufrieden. Aber mein Blick ist nicht ausschließlich auf die Ergebnislisten gerichtet. Natürlich will man bei der Tournee vorne dabei sein, aber ich hoffe einfach, in Garmisch wieder vorne mitspringen zu können“, sagte der Pongauer am gestrigen Ruhetag.

Ob sich der Wunsch des Österreichers erfüllen wird? Immerhin hat der Olympiabakken den Salzburger in den vergangenen Jahren gleich mehrfach abgeworfen. 2018 und 2019 schaffte es Kraft in Garmisch nicht einmal in den zweiten Durchgang, 2020 landete er auf Platz 13. Jedes Mal begrub der Österreicher in Bayern seine Chancen auf den Gesamtsieg. „Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt. Dabei komme ich mit der Schanze an sich ganz gut zurecht. Im Training springe ich dort immer sehr gut und ich war dort auch bereits einmal Dritter und einmal Sechster.“

Also so etwas wie eine Hassliebe? „Die beste Beziehung führen wir auf alle Fälle nicht“, schmunzelt Kraft. „Nach dem Auftaktstress in Oberstdorf habe ich mir in den letzten Jahren in Garmisch immer ein bisschen schwerergetan. Körperlich und auch mental. Letztes Jahr war ich krank, davor hatte ich Oberschenkelprobleme und vor drei Jahren wollte ich einfach viel zu viel.“

Doch ist der Fokus des Titelverteidigers im Gesamtweltcup, der bei der Skiflug-WM in Planica von einer erneut aufgetretenen Rückenblockade aus der Bahn geworfen wurde, nicht nur auf die Schanzen, sondern vor allem auch auf seinen Körper gerichtet. Nach dem Auftakt in Oberstdorf gestand Kraft: „Ich spüre mein Gestell schon ordentlich. Zwei Wettkampftage in Folge sind schon sehr anstrengend. An das muss ich mich erst wieder gewöhnen.“ Und während sich seine Teamkollegen am Ruhetag mit Tennis, Tischtennis und Volleyball fit hielten, standen beim Doppelweltmeister von Lahti andere Dinge auf dem Programm: „Solche Spiele sind für mich derzeit leider zu riskant. Ich war stattdessen ausradeln und habe meine Mobilisations- und Stärkungsübungen gemacht.“

Dass die Blockade jederzeit zurückkehren kann, ist für Kraft natürlich auch eine mentale Belastung. „Wenn es an die Schanze geht, denke ich nicht daran. Aber prinzipiell habe ich es schon immer im Hinterkopf. Zwar habe ich mir einen Plan zurechtgelegt und auch mein Training geändert, doch Garantie dafür, dass ich es jetzt überstanden habe, gibt es keine.“
Doch muss sich der Schwarzacher nicht nur mit seinem Rücken auseinandersetzen, sondern auch mit den Folgen seiner Corona-Erkrankung. „Grundsätzlich springe ich ja einen längeren Ski. Doch seit Corona ist mein Gewicht ein wenig runtergegangen und daher verwende ich seit Oberstdorf einen etwas kürzeren Ski.“ Auf seine Weiten soll dieser Wechsel aber keinen Einfluss haben.

Ebenso nicht wie das Fehlen der Zuschauer. Trotzdem findet der Österreicher die Situation deprimierend: „Obwohl ich lange keinen Wettkampf mehr bestritten habe und vor Oberstdorf nervös war, war es nicht derselbe Nervenkitzel, als wenn unten im Auslauf 30.000 Leute stehen. Und ich hoffe, dass wir bald wieder vor Zuschauern springen können.“ Vielleicht schon bei der WM in Oberstdorf (ab 23. Februar) – dort wird derzeit mit 2500 Fans pro Bewerb geplant.