Herzliche Gratulation zur zweiten großen Kristallkugel nach einem ungewöhnlichen Saison-Ende. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Stefan Kraft: "Danke. Natürlich hat man es sich anders vorgestellt, und dass man auf der Schanze seine Sprünge macht. Aber es war eine neue Situation, wo jeder ins Zimmer kommt oder dir im Gang gratuliert und um den Hals fällt."

Sie haben also vom Gesamt-Weltcupsieg im Hotelzimmer erfahren?
Kraft: "Ja, wir waren gerade alle bereit am Gang und wollten zur Schanze fahren. Dann haben sie gesagt, nein, alles vorbei. Dann war eh schon jeder im Zimmer und es ist schon rund gegangen."

Wird die Freude wegen des vorzeitigen Saisonendes getrübt oder kann man das trennen, weil man ja weiß, welche Entbehrungen man auf sich genommen hat?
Kraft: "Nein, es ist ja nicht so, dass es durch Zufall passiert ist. Es fängt ja doch im November an und 140 Punkte Vorsprung ist auch etwas, wo ich sage, das hätte ich mir bis Sonntag nicht mehr nehmen lassen. Ich habe mich noch sehr gut gefühlt, habe heute Vormittag auch nochmals Kniebeugen gemacht. Ich wäre optimistisch gewesen, dass ich den Sack sonst halt auf der Schanze zugemacht hätte. Es ist so natürlich nicht so emotional wie auf der Schanze. Aber wenn man dann die Kugel kriegt und Freunde und Familie da sind, kommt das schon."

Nun haben Sie zwei große Saisonziele erreicht. Nach dem ersten Heim-Weltcupsieg ihrer Karriere auch die große Kristallkugel. Eine Medaille bei der Skiflug-WM in Planica ist aber nach der ebenfalls erfolgten Absage nicht möglich. Enttäuscht?
Kraft: "Ich muss ehrlich sagen, ohne Zuschauer hätte ich mir Planica nicht vorstellen können. Wenn du um Medaillen fliegst und wenn man das Planica-Feeling kennt, und möglicherweise auch um den Weltrekord und dann ist kein Mensch da, da ist mir lieber, sie machen es auch vielleicht nächstes Jahr. Da bin ich jetzt gar nicht mehr so böse."

Beschreiben Sie einmal die Stimmung in den letzten Wochen. Sie waren auf Weltcup-Tour, und rundherum ist die Welt in Sorge, oder wie haben Sie das gespürt?
Kraft: "Wir haben es erst jetzt so richtig angefangen es zu merken, als in Oslo das erste Mal keine Zuschauer waren. Das ist schon eigenartig, wenn sonst immer zwischen 5.000 und 25.000 Leute an der Schanze sind. Das ist ganz was anderes von der Emotion und der Stimmung her. Sonst habe ich nicht viel mitgekriegt. Ich war so in meinem Tunnel drinnen. Ich bin Montag heimgekommen und habe mich drei, vier Tage voll regeneriert, Krafttraining gemacht, damit ich am Donnerstag, Freitag wieder voll da bin. Ich habe in den letzten Monaten wie ein Roboter funktioniert. Ich bin gespannt wie es jetzt daheim zugeht."

Wie wird denn nun eigentlich die Kugelübergabe funktionieren?
Kraft: "Anscheinend am Montag in Salzburg, da gibt es die offizielle Übergabe. Mich haben sie schon gefragt wie ich meine Kugel haben will, weil die noch in Oslo ist. Ich habe gesagt, mir egal, ihr könnt sie mir mitgeben. Dann nehme ich sie am Schoß im Flieger heim. Wie ihr wollt" (lacht).

Wenn Sie jetzt schon vorausblicken: Was bleiben für Ziele für die weitere Karriere?
Kraft: "Jetzt einmal eine längere Pause. Das war jetzt schon eine Riesenschlacht mit dem Karli (Geiger, Anm.). Man hat in Lillehammer gesehen, dass wir beide nicht mehr ganz locker waren und das schon auf die Substanz geht, wenn man jedes Wochenende so eine Nervenschlacht hinter sich hat. Ich nehme gern eine Woche Pause. Die Ziele gehen mir nie aus. Ich habe wieder eine Riesenfreude gehabt. Es war anstrengend, aber wir haben immer ein gutes Team und einen guten Plan gehabt. Nächstes Jahr ist wieder eine WM, Olympia steht noch an - ich habe noch große Ziele."

Sie werden nun aber wohl nicht in den wohlverdienten Urlaub fliegen können ...
Kraft: "Wir haben in der Gruppe eh geredet, können wir wo hinfliegen? Aber das scheint sehr schwierig. Also werden wir das mit Spiele-Abenden und Skitouren machen. Skitouren ist noch das eheste, was möglich ist, glaube ich. Dann tragen wir uns halt ein Weißbier im Rucksack hinauf (lacht). Vielleicht entschleunigt es alles ein bisschen, es geht eh immer voll zu. Es wird jetzt sicher ein entspannterer Monat, wahrscheinlich auch mit weniger Medienterminen. Ich nehme es gern, wenn es einmal ein bisschen ruhiger ist."