Am Sonntag (17.30 Uhr, ORF 1 live) hebt die Vierschanzentournee in ihre 68. Auflage ab. Für mich selbst ist es das 19. Mal, dass ich vom Schanzenspektakel rund um Neujahr berichte. Und eine der Weisheiten, die ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, lautet: "Man kann die Tournee zwar nicht in Oberstdorf gewinnen, sie dort aber bereits verlieren." Soll heißen, ein guter Start im Oberallgäu ist extrem wichtig.

Vor allem für diejenigen, die sich vorgenommen haben, den Grand Slam (also den Sieg bei allen vier Stationen) zu fixieren. Galt dieses Meisterstück jahrzehntelang als Ding der Unmöglichkeit, so schrieb Sven Hannawald ausgerechnet 2001/02, als ich meine Tournee-Feuertaufe erlebte, die Skisprung-Geschichtsbücher mit seinem totalen Triumph um.

Für mich war es damals natürlich ein Traum, das live miterleben zu dürfen. Nach seinen Siegen in Oberstdorf und Garmisch wagten die Ersten von einem möglichen Grand Slam zu sprechen. Nachdem der Deutsche dann auch in Innsbruck auf dem obersten Podest stand (die Experten hatten damit gerechnet, dass der unberechenbare Bergisel den Deutschen abwerfen würde), schien klar, dass Hannawald den Sack in Bischofshofen zumachen würde.

Und das tat der DSV-Weitenjäger dann auch - vor teilweise hysterischen Massen, kreischende Teenager mit "Hanni, ich will ein Kind von dir"-Plakaten inklusive. Die Fachwelt staunte damals, immerhin war es das Ende eines Mythos. Doch ließen sich die Tournee-Verantwortlichen dadurch nicht irritieren, gingen sie doch davon aus, dass es für lange, lange Zeit (wenn nicht für immer) ein einmaliges Bravourstück bleiben würde.

Und es dauerte auch 16 Jahre, ehe sich der Pole Kamil Stoch als zweiter Grand-Slam-Sieger feiern lassen konnte. Die Frage, die sich damals stellte: Würde das Warten auf den Tournee-Dominator erneut 16 Jahre dauern. Die Antwort: Nein! Denn bereits im Jahr darauf, also in der Saison 2018/19, trug sich der Japaner Ryoyu Kobayashi in alle vier Siegerlisten der Tournee ein.

Ist der Grand Slam also mittlerweile zu einem Trend geworden? "Nein, bestimmt nicht", lacht Stefan Kraft. "Ich habe schon in den vergangenen zwei Jahren gesagt, dass es nicht möglich ist. Und ich sage auch diesmal, dass es keiner schaffen wird", orakelt der Salzburger. Ob er auch diesmal falsch liegen wird? "Nun ja, wenn einer voll im Flow ist und die anderen nachdenken beginnen, dann könnte es schon passieren."

Vielleicht gelingt das Meisterstück sogar Kraft selbst - die Qualitäten dafür hätte der Gesamtsieger 2014/15 allemal. Am Sonntag könnte er in Oberstdorf, wo er bereits 2014 und 2016 gewinnen konnte, auf alle Fälle den ersten Schritt in diese Richtung setzen.