376 Tage nach seinem bisher letzten Wettkampf-Sprung im Weltcup wagt Gregor Schlierenzauer in der Qualifikation für den Bewerb in Wisla am Freitag (18.00 Uhr) ein Comeback. Der Gewinner von 53 Weltcup-Bewerben hatte am 3. Jänner 2016 enttäuscht und demotiviert das Handtuch geworfen, nachdem er auf dem Bergisel nur auf Rang 31 gelandet war. An seinem 26. Geburtstag erklärte er sein Saisonende.

Die Enttäuschung habe ihm "jegliche Leidenschaft gekillt", ließ er damals wissen. Aus der Ferne beobachtete der Tiroler, wie ihm u.a. der slowenische Überflieger Peter Prevc gleich mehrere Saison-Weltcup-Rekorde entriss. Am Schluss-Wochenende der vergangenen Saison sorgte Schlierenzauer aber noch für allerdings unerfreuliche Schlagzeilen: Beim Skifahren in Kanada zog sich Schlierenzauer einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu und es wurde ihm eine achtmonatige Pause prognostiziert.

Neuer Manager, neue Trainingsgruppe

Anfang April äußerte sich Schlierenzauer nach seiner Operation sehr motiviert, zurückzukehren. Er sei noch nicht bereit, komplett von der Bühne abzutreten. Anfang Oktober erschien der Tiroler zwar bei der Einkleidung, gegenüber den Medien wollte er sich aber noch nicht äußern. In der Folge änderte Schlierenzauer sein Umfeld, holte den Ex-Skispringer und Kulm-OK-Chef Hubert Neuper als Manager an Bord und trainierte mit der Stamser Nachwuchsgruppe rund um Coach Christoph Strickner.

Ein Comeback im WM-Winter war nun sicher, am Schlusstag der Tournee und am Tag vor seinem 27. Geburtstag bestätigte Schlierenzauer: Seine Rückkehr werde dieses Wochenende in Wisla erfolgen, wo Zehntausende Fans ihre zuletzt so erfolgreichen Athleten angeführt von Tourneesieger Kamil Stoch anfeuern werden.

Genießen - mit einem Auge Richtung Lahti

"Ich fühle mich gut. Das Training läuft sehr gut, aber es gibt schon noch einiges zu tun. Es kribbelt extrem, nicht nur in der Bauchgegend, sondern überall", meinte Schlierenzauer kürzlich im ORF-TV-Interview. Noch wisse er nicht, wo er stehe, doch darum geht es ihm in Polen noch nicht vorrangig. "Einfach den Wiedereinstieg genießen, es mit Dankbarkeit annehmen und die positive Energie mitnehmen und sich Schritt für Schritt so hintasten, dass man für die Weltmeisterschaft ein Thema ist", hofft der insgesamt zehnfache Weltmeister (Nordische WM und Skiflug-WM) und zweifache Weltcup-Gesamtsieger.

Unter Druck setzen möchte sich Schlierenzauer nicht. "Dass es nicht von heute auf morgen geht, ist klar. Michael Phelps hat auch über eineinhalb Jahre gebraucht, bis er wieder ganz oben war", verglich sich der Überflieger der Vergangenheit mit dem vielleicht größten Sportler aller Zeiten, dem 23-fachen Schwimm-Olympiasieger aus den USA. "Ich bin auch keine Maschine, sondern nur ein Mensch." Aber natürlich strebt er in Zukunft wieder nach Podestplätzen, Siegen und Medaillen. "Man kennt mich und weiß, dass ich schon eher ein positiv Getriebener bin. Das habe ich auch nicht verloren und von dem her ist es schon das Ziel, irgendwann wieder ganz oben zu stehen."

Raus aus der Sinnkrise

Es ist das zweite große Comeback eines heimischen Sport-Superstars nach Anna Veith. "Anna hat (im Knie, Anm.) alles kaputt gehabt, was kaputt werden kann. Aber wenn es eine schafft, ist es die Anna", sagte Schlierenzauer, der in dem ORF-Gespräch auch bestätigte, dass er sich eine Zeit lang in einer Sinnkrise befunden habe. "Da ist es mir teilweise wirklich nicht gut gegangen." Dennoch müsse man es auch relativieren, meinte er wohl auch mit Blick auf tragische Unfälle im rot-weiß-roten Sport.

"Aber aus meiner Sicht bin ich vor einer schwarzen Wand gesessen und habe nimmer gewusst, was ich tun soll. Wer bin ich, was will ich, was kann ich, was gibt mir am Ende des Tages Energie?", gestand Schlierenzauer. Das reden mit Menschen und Persönlichkeiten habe ihm da sehr geholfen und auch, sich Ruhe und Zeit zu geben. "Das Durchschnaufen hat gut getan." Die Auszeit hat ihn auch reflektieren lassen über seine steile Karriere, die ihn schon mit 16, 17 Jahren ins Rampenlicht gebracht hatte. "Teilweise habe ich mich verloren, manchmal habe ich mir zu viel angemaßt, aber das gehört zum Erwachsenwerden."

In Wisla, wo seine Erfolgsbilanz im Vergleich zu so vielen anderen Schanzen sehr mager ist, kehrt Schlierenzauer also zurück. "Gottseidank ist es so eine Schanze, wo ich noch nichts gewonnen habe", meinte der Stubaier mit einem Lächeln.