Es gibt ja etwas, wovon man als gestandener Mann träumt, wenn man nach Schweden fährt. Und sagen Sie nicht, dass Sie nie diesen Gedanken hatten, wenn Sie an Schweden denken. Diese Bilder, die sich im Kopf bilden, wenn man die Augen schließt. Wenn die zarten Rundungen in die Gedanken schleichen, wenn man die schöne goldbraune Farbe denkt. Wenn sich der Atem beschleunigt, wenn man nur daran denkt, einmal die Rundungen berühren zu dürfen, und wenn das geistige Auge ebendiese Stück für Stück nachzeichnet. Der Atem, der sich beschleunigt, wenn man daran denkt, wie die Lippen sie berühren werden.

Richtig geraten: Es geht um die Zimtschnecke. Das schwedische Gebäck schlechthin. Genossen meist beim „Fika“ – und nein, auch das ist eine höchst anständige Kaffeerunde mit Gebäck. „Kanelbulle“ nennt sich die personifizierte Verführung hier. Wobei: Personifiziert ist sie natürlich noch nicht. Es ist die herausgebackene Verführung. Ich selbst spreche ja selten von „Kanelbulle“, weil das ist die Einzahl. Denn wer hat schon genug mit einer? Der erste schwedische Satz, den ich also unfallfrei sprechen konnte, war: „Två kanelbullar, tack!“ Was so viel heißt wie: Zwei Zimtschnecken, bitte! Auf einem Bein kann man halt nicht stehen, deshalb ist mir die Endung „-ar“ schnell in Fleisch und Blut übergegangen.

Ich habe ja auch schon überlegt, beim Unterrichtsministerium um Verlegung der Herbstferien anzusuchen. Denn nur hier, in Schweden, wird am 4. Oktober der „Kanelbullens dag“ gefeiert. Richtig: Hier gibt es einen Tag der Zimtschnecke. Was da passiert? Angeblich hängen in den Geschäften Bilder von Zimtschnecken. Und angeblich wird überall beim Essen derselben, wenn im Mundwinkel noch diese kleinen weißen Hagelzucker-Teile hängen, diskutiert, ob denn dieser Tag wirklich sinnvoll ist.

Für mich besteht daran nicht der geringste Zweifel. Denn was kann es für einen sinnvolleren Tag geben? Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Ihnen auch ein Rezept mit auf den Weg zu geben. Obwohl: Im Normalfall sagt man ja, daheim schmeckt’s am besten. Aber ohne Schweden rund um das Gebäck ist es halt eine Zimtschnecke. Und keine „Kanelbulle“. Aber wer weiß, vielleicht lass ich mich ja überreden.

Herzlichst, bis morgen
Michael Schuen

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