Bereits 16 Jahre ist es her, als in Oberstdorf das letzte Mal um weltmeisterliche Medaillen gerungen wurde. Auf der Schattenberg-Schanze bewiesen Österreichs „Adler“ damals mannschaftliche Stärke, räumte das Quartett Andreas Widhölzl, Thomas Morgenstern, Wolfgang Loitzl und Martin Höllwarth doch in beiden Teambewerben Gold ab.

Heute steht im Oberallgäu der Einzel-Wettkampf auf der Großschanze auf dem Programm. Nach dem bisherigen Saisonverlauf zählen Stefan Kraft, Daniel Huber, Philipp Aschenwald und Jan Hörl nicht zwingend zu den Medaillenkandidaten. Doch dürfen die Mannen von Cheftrainer Widhölzl nach der gestrigen Qualifikation Hoffnung schöpfen: Da war Kraft wie schon im Probedurchgang der Weiteste, Huber, Aschenwald und Hörl landeten auf den Rängen 7, 10 und 32. Dass Seriensieger Halvor Egner Granerud aufgrund einer Corona-Infektion nicht am Zitterbalken Platz nehmen wird, erhöht die Chancen auf eine Medaille zusätzlich. Nach der ersatzlos gestrichenen Raw-Air-Serie steht der Norweger aber immerhin vorzeitig erstmals als Sieger des Gesamtweltcups fest.

Warten auf den großen Coup

Die Jagd nach möglichst großen Weiten ist aus rot-weiß-roter Sicht im nordischen Sport seit jeher die Königsdisziplin. Doch wurden die heimischen Fans zuletzt auf die Geduldsprobe gestellt. Seit Krafts umjubelten Doppelweltmeister-Titel 2017 in Lahti blieben abgesehen vom letztjährigen Gesamtweltcupsieg des Schwarzachers die ganz großen Erfolge im Adlerhorst aus. Vor allem bei Großereignissen (Olympia, Skiflug-Weltmeisterschaften, Nordische Weltmeisterschaften) hing Gold zuletzt stets zu hoch.

Neo-Cheftrainer Widhölzl, der wie das Gros seiner Athleten zu Saisonbeginn zu den Corona-Opfern zählte, ortet bei seinen Schützlingen zwar eine stetige Leistungssteigerung, doch fand seine Forderung nach noch mehr Lockerheit in den Wettkämpfen bis dato noch nicht das gewünschte Gehör.

Enttäuschter Hayböck reiste ab

Und so spielen auf den Bakken derzeit eben andere Nationen die erste Geige. So, wie auf der Normalschanze, wo sich der Pole Piotr Zyla überraschend zum König krönte, und Michael Hayböck als Siebenter und bester Österreicher gerade einmal in die Rolle des Untertans schlüpfen konnte. Zwar flog der Oberösterreicher wie Kraft im Mixed-Bewerb zu Bronze, doch reichte das nicht für ein Ticket für den heutigen Bewerb. Eine bittere Pille für den Oberösterreicher, der bereits gestern enttäuscht aus Oberstdorf abreiste. Als Ersatzmann für das Teamspringen am Samstag hält Manuel Fettner die Stellung.

Heute auf der „Großen“ will Hoffnungsträger Kraft („Die Bronzene im Mixed gibt Auftrieb“) an seine Tourneeauftritte anschließen, lief es für den Salzburger in Oberstdorf doch immer sehr gut. „Ich fühle mich auf dieser Schanze sehr wohl“, sagt das heißeste Eisen Widhölzls, der wiederum betont: „Der Krafti ist ein Rhythmus-Typ, er muss sich in eine Herausforderung reinbeißen.“

Zehn bis 15 Favoriten auf Gold

Die gestrige Qualifikation bestätigt diese Theorie. „Dass sowohl im Probesprung als auch in der Qualifikation jeweils der Einser aufgeleuchtet hat, ist natürlich ideal“, freute sich der Salzburger. Und weiter: „Ich fühle mich sehr gut, die Sprünge gehen mir im Moment sehr gut von der Hand. Es gibt dennoch zehn bis 15 Favoriten auf Gold, aber ich bin einer davon. Obwohl, auf der Normalschanze hat Zyla gewonnen. Und den hatte auch keiner auf der Rechnung.“

Damit nochmals zurück zu 2005. Da hatte Widhölzl vor den Wettkämpfen unter seinen Kollegen den Text der Bundeshymne verteilt und gesagt: „Lernt das, wir werden es noch brauchen!“ Auch ein Motivationsschub für seine Schützlinge vor dem heutigen Bewerb? „An der Hymne wird es heute nicht scheitern“, lächelt Kraft.