Zugegeben: Die Wiege des Skisports steht nicht in dieser malerischen Bucht. Im Süden des Peloponnes, wo jährlich Zehntausende Österreicher ihren Sommerurlaub verbringen, wird heute über die Vergabe der Ski-WM 2023 entschieden und über Zukunftsprojekte diskutiert. Das heikelste davon ist aufgeschoben, Lindsey Vonn will nun doch nicht bei den Herren antreten, sondern erst den ewigen Siegesrekord von Ingemar Stenmark (86) einstellen, bevor sie den nächsten Anlauf auf eine Teilnahme bei den Herren unternimmt. Getagt wird seit Sonntag in einem Fünf-Sterne-Resort nach amerikanischem Vorbild, mit Eingangskontrolle, Golfplatz und Shuttle-Service - immerhin sind es ja von der Suite mit Infiniti-Pool zehn Gehminuten bis zu einem der Restaurants.

Während draußen endlose Sandstrände locken, warten Vikersund, Saalbach, Courchevel oder Trondheim drinnen mit Videos mit traumhaft verschneiten Landschaften und Computeranimationen von Pisten und Loipen auf. Aber weil der Mensch nicht nur von Liebe und Luft allein lebt, fahren die WM-Bewerber abseits der offiziellen Präsentationen ein gewaltiges Programm auf: Mit vier Köchen ist alleine Saalbach-Hinterglemm vertreten, um den 1000 Delegierten aus 80 Ländern zu zeigen, was österreichische Gastfreundschaft ist. Vom Wiener Schnitzel bis zum Kaiserschmarrn, vom südsteirischen Weißwein (Polz) bis zur Heumilch-Schokolade - alles wird in die Waagschale geworfen. Am Stand daneben kämpft Trondheim um die Nordische WM, mit Hummer, Lachs und dem Cocktail-Weltmeister. Georgien setzt für die Snowboard-WM 2023 in Bakuriani auf schwere Rotweine und Courchevel-Meribel hat im Kampf um die alpine Ski-WM die passenden Käsesorten aus den Hochsavoyen, die sich unter der griechischen Sonne olfaktorisch gut entwickeln können. Dazwischen wird angeregt über die Kandidaten diskutiert - nur: An den Info-Ständen wird die Entscheidung nicht fallen.

Vom FIS-Vorstand werden heute 16 der 17 Mitglieder (das südkoreanische Mitglied ist leider wegen einer Inhaftierung verhindert) abstimmen, FIS-Präsident Gian-Franco Kasper wird sich wie üblich zurückhalten, bleiben 15 Stimmen. Also braucht der Sieger im Duell um die WM zwischen Saalbach-Hinterglemm und Courchevel-Meribel acht Stimmen aus dem Vorstand. Wie die zu bekommen sind, das ist ein verschlungener Weg. Am einfachsten bekommt Österreich noch jene des slowenischen FIS-Vorstandsmitglieds, denn der braucht im Gegenzug Peter Schröcksnadels Stimme für Planica (Kandidat für die Nordische WM 2023). Mit Italien bilden Österreichs Alpine seit geraumer Zeit eine Trainingsgemeinschaft, auch die deutschen Abfahrer schauen regelmäßig im Glemmtal vorbei - zwei weitere Stimmen, auf die man hofft.

Dann wird es politisch: Weil Österreich in der Doping-Causa um Russland eine extrem gemäßigte Position vertreten hat und im Unterschied zu einigen anderen EU-Staaten keine Sanktionen gefordert hat, darf Saalbach-Hinterglemm ziemlich sicher auf die Stimme des russischen Delegierten setzen. Das erzürnt allerdings wiederum andere Länder; die Tschechen werden daher wohl für Frankreich votieren. Und so dreht sich das Rad der Spekulationen weiter.

Wie die Abfahrt beschaffen ist (in Meribel und Courchevel gibt es übrigens gleich zwei davon, weil in einem Ort die Damen und im anderen die Herren fahren würden), welche Quartiere es gibt und wie hoch die Kosten sind, das „interessiert hier niemanden“, sagt selbst Hans Pum, der Sportdirektor des ÖSV. Na gut, lassen wir uns also überraschen, wer im Bewerb der Strippenzieher die Nase ganz vorne hat: Heute wird ab 19 Uhr der Sieger (live in ORF Sport+) verkündet.