Es war fünf Minuten vor Zwölf, als der steirische Landespräsident Karl Schmidhofer (Onkel von Ski-Ass Nici Schmidhofer) verkünden konnte, was offiziell erst tags zuvor ins Laufen gekommen war: Renate Götschl, Speed-Queen außer Dienst, wird vom steirischen Skiverband als Kandidatin für das Präsidentenamt des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) nominiert. Das wurde - einstimmig - in einer eilig einberufenen Vorstandssitzung des Landesverbandes  beschlossen. "Der Brief", sagte Schmidhofer, "ist unterwegs".

Es ist eine Kandidatur, die ein weiteres Mal Bewegung in die ohnehin schon lang andauernde Nachfolge-Suche von Peter Schröcksnadel bringt. Aber klar, schließlich geht es nicht um irgendein Ehrenamt, sondern um nichts weniger als den wohl wichtigsten Posten im österreichischen Verbandssport. Denn der ÖSV mag zwar nicht der mitgliederstärkste Verband der Republik sein, aber doch ist er der international erfolgreichste und wohl auch mächtigste - dafür hat Schröcksnadel in seinen 31 Jahren als Präsident gesorgt.

Eine Absage und ein "Neubeginn"

Es mag daran liegen, dass Schröcksnadel sein Lebenswerk nicht aus den Händen geben will. Doch Michael Walchhofer, vom Salzburger Landesverband ins Rennen geschickt, versprach genau das, einen Verband ohne Schröcksnadel. Und unterstrich das am Tag nach der bekannt gewordenen Kandidatur Götschls ein weiteres Mal: "Für mich ändert sich damit nichts. Ich habe den Landespräsidenten ein Angebot gemacht, einen Neubeginn zu machen. Ohne Peter Schröcksnadel. Die Kandidatur von Renate Götschl ändert an dem Angebot nichts."

Ganz so stimmt das nicht. Ursprünglich haben sich die Verbände aus Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und dem Burgenland, die aufgrund der Lage zwischen den anderen Verbänden Vorarlberg, Tirol und Wien auch als "Mittelblock" bezeichnet wurden, auf Walchhofer als Kandidaten geeinigt, hört man immer wieder.

Aber Schröcksnadel hat seit dem Bekanntwerden dieses Pans versucht, einen Nachfolger nach seinem Gutdünken zu finden. Zuletzt war seine Wahl auf den Kärntner Klaus Pekarek gefallen. Doch der Uniqa-Spitzenmanager sagte ihm bereits in der vergangenen Woche ab - der Job als Präsident sei nicht mit seiner Arbeit als Vorstand eines börsennotierten Unternehmens vereinbar. Der Deal mit Schröcksnadel: eine Woche stillhalten. Am Sonntag, spätabends, rückte er dann auch öffentlich mit der Absage heraus. Passend, dass kurz zuvor Götschl schon in den Ring gestiegen war.

Eine Vielzahl an Kandidaten

In Salzburg war man von der Ankündigung "not amused", der Salzburger Landesverbandspräsident Bartl Gensbichler kündigte eine heiße Sitzung des Wahlkomitees am Freitag an - dann trifft man sich zum nächsten Mal. Eventuell herrscht dann auch Klarheit, ob es neben Götschl und Walchhofer noch weitere Kandidaten gibt. Zuletzt war ja auch der Name Thomas Sykora gehandelt worden, der winkte aber im Gespräch mit der Kleinen Zeitung ab: "Nein, dazu müsste man ja vom niederösterreichischen Verband nominiert werden. Und der ist Michael Walchhofer im Wort. Das ist kein Thema!"

So oder so: Für Schröcksnadel kam das "Ja" von Götschl zum denkbar besten Zeitpunkt. Denn, geht man davon aus, dass der Tiroler Skiverband (in dem sein Sohn Markus einer der Vizepräsidenten ist) nach wie vor auf seine "Empfehlung" hört, hat jeder Kandidat "von Schröcksis Gnaden" gute Chancen. Denn aufgrund der Stimm-Arithmetik, die Wertigkeit der Stimmen jedes Landesverbands ergibt sich aufgrund der Mitgliederzahlen, hat Tirol schon mehr als ein Drittel der Stimmen. Zudem gibt es eine "historisch gewachsene"  Verbundenheit des Tiroler mit dem Wiener und dem Vorarlberger Verband. Soll heißen: Die West-Achse mit dem östlichen Wien stimmen meist gemeinsam ab. Und das wiederum bedeutet, dass schon 48 Prozent aller Stimmen nur auf diese Verbände entfallen. 

Deshalb geht man davon aus, dass es nur einen weiteren Verband brauchen würde, um die absolute Mehrheit zu erlangen. Und das wäre in diesem Fall  der steirische, der nun ja für Götschl stimmen muss bzw. das auch will.

Das "Imperium" ÖSV

Die einzige Frage, die offen bleibt, ist die, ob 46 Weltcupsiege und zahlreiche Erfolge auf der Piste auch für die Funktionärsarbeit abseits der Piste qualifizieren. Der ÖSV ist nämlich kein einfacher Sportverband mehr, sondern ein Betrieb, der - ganz genau weiß man das nicht - mehr als 80 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht und mehr als 400 Angestellte hat. Götschl selbst fehlen unternehmerische Erfahrungen, sie kann aber natürlich auf das Backoffice im ÖSV zählen. Walchhofer etwa hat als Hotelier und als Absolvent der KMU-Akademie durchaus Erfahrung vorzuweisen. Aber diese Argumente spielen im politischen Spiel um Verbandsbesetzungen selten eine Rolle. 

Der Skiverband wurde unter Schröcksnadel immer mehr zum Unternehmen. Die "Ski Austria Veranstaltungs-GesmbH" etwa richtet die Ski-Weltcups in Österreich aus, eine eigene Marketing-Gesellschaft kümmert sich um Vermarktung und Merchandising. Ein eigenes Forschungszentrum wurde gegründet und ausgebaut, selbst das Skiservice wanderte von vielen Firmen in den Verband. Über allem thront der "Austria Ski Pool" einerseits - in diesen müssen Firmen einzahlen, damit sie österreichische Athleten ausrüsten dürfen - und der Skiverband als eine Art "Holding-Dach" für alle Untergesellschaften und über alle Sportarten. Denn der Skiverband ist ja nicht nur für Matthias Mayer,Katharina Liensberger und Co. zuständig, sondern auch für Skispringen, Kombination, Langlauf, Grasski, Behindertensport und, und, und.

Nicht zu vergessen. Aufgrund der sportlichen Macht und der Erfolge hat sich Peter Schröcksnadel natürlich auch in der Sportpolitik ein gewisses Standing erarbeitet, war lange Jahre als Vizepräsident im ÖOC tätig und auch in der Bundessportorganisation, jetzt "Sport Austria" involviert. Das heißt aber auch, dass ein ÖSV-Präsident eben nicht nur ÖSV-Präsident sein kann. Die Fußstapfen, in die der Nachfolger, oder nach derzeitigem Stand eher die Nachfolgerin, treten muss, sind groß, die Aufgaben mannigfaltig.

Ob Schröcksnadels Nachfolger(in) die gestellten Aufgaben erfüllen kann, wird die Zeit weisen. Wer es wird, entscheidet sich schon wesentlich früher: Bei der Länderkonferenz Anfang Juni. Da aber wird traditionell im ÖSV nur noch ein Kandidat zur Abstimmung gebracht, auf den/die man sich davor in den Wahlausschusssitzungen einigt. Aber, und das scheint nach diesem Wochenende sicher: Bis es so weit ist, wird viel gestritten werden. Wenn auch hinter verschlossenen Türen.