Wenn man ehrlich ist, muss man es offen aussprechen: Hoffentlich war der Start in diese WM nur ein Fehlstart. Denn statt des erwarteten Winter-Wunderlands präsentierte sich der WM-Ort Cortina d’Ampezzo am Sonntag als … Gatschzentrum. Denn ununterbrochener Regen hatte zwar den Pass auf der direkten Zufahrt aus Österreich kommend wegen Lawinengefahr unbefahrbar gemacht, aber im WM-Ort die Neuschneemassen in Matsch verwandelt. Und jeder Spaziergang ins Ortszentrum wurde zum Zielspringen zwischen den tiefen Lacken und zum Balanceakt auf dem verbliebenen Schnee in den Straßen.

Womit wir beim Thema sind. Denn nicht nur Ramona Siebenhofer meinte verblüfft, eine kleine Zeitreise unternommen zu haben. „Das war wie ein Kulturschock“, sagte die Steirerin, die heute mit Nummer drei als erste Österreicherin ins Rennen gehen wird. Was sie damit ausdrücken wollte: Cortina, das ist ein wenig Skiurlaub, wie er früher einmal war. Offene Restaurants (bis 18 Uhr zumindest) samt Menschen darin und davor (welch ungewohnter Anblick!), Flanieren durch die Straßen (und das sozusagen im Rudel) und am Sonntag schon ein Verkehrsstau wie beim richtigen Urlauberschichtwechsel. Dabei ist das Skifahren „Normalsterblichen“ in Italien nach wie vor untersagt.

Vielleicht ist das auch der Grund der Polizeidichte – denn gefühlt ist jedes dritte Auto eines der Carabinieri. Und doch steigt die Sorge, dass man soeben mitten in den großen WM-Cluster gerutscht ist, der das Potenzial hat, sogar Ischgl im Herbst in den kommenden zwei Wochen den Rang abzulaufen. Dagegen spricht eigentlich nur die berühmte Inzidenz, die in dieser Region weit unter 100 liegt und damit dort, wohin Österreich nicht einmal mit dem dritten Lockdown gekommen ist. Vielleicht waren also hier die Hoteliers doch eher daheim als auf Golfurlaub in Südafrika.

Corona, das ist also auch in Cortina das beherrschende Thema. Die Vorkehrungen sind ausgetüftelt und streng. Jeder, der Teil der WM ist, musste schon zehn Tage vor der WM einen PCR-Test durchführen und das Ergebnis auf der WM-Seite hochladen, drei Tage vor Anreise nochmals. Weil man aber für die Einreise nach Italien einen Test benötigt, der nicht älter als 48 Stunden ist, musste man also 24 Stunden nach dem PCR- auch noch zum Antigen-Test. Um ganz sicherzugehen, wird jeder Akkreditierte auch noch nach der Ankunft in Cortina und vor Ausgabe der Akkreditierung getestet. Und, so viel darf man sagen: Würde man Gründlichkeit danach messen, wie tief das Staberl in die Nase gedrückt wird, Cortina hätte die Goldene verdient. Erst, wenn auch dieser (der vierte) Test negativ war, erhält man den positiven Bescheid und die Freigabe, die WM-Blase zu betreten. Dabei bekommt man aber noch ein ganz besonderes Feature mit auf den Weg: einen elektronischen Abstandsmesser. Und der vibriert, wenn man sich einem anderen Akkreditierten auf unter einen Meter nähert. Wie das allerdings funktioniert, wenn man sich in der Stadt in die „Casa Italia“ oder in die „Casa Veneto“ begibt, die pünktlich eine Stunde vor der Eröffnungszeremonie ihre Pforten öffnete (natürlich aber nur mit ausgewählten Besuchern und limitierter Anzahl), das bleibt offen.

Was am Tag der Eröffnung jedenfalls trotz der kurzweiligen Eröffnung, die den Bogen von Venedig über die Dolomiten bis hin zu Gianna Nannini spannte, aber ausblieb, war: WM-Stimmung. Natürlich, jeder weiß, dass es in den kommenden 14 Tagen um alles geht. Und ja, in der Innenstadt des an sich mondänen Skiortes gibt es allerorts Informationsstände der Sponsoren, Plakate und den Flair, den man sich sonst für eine WM so vorstellt. Aber die Eröffnung, so ganz ohne Athleten, sie war trotz Publikums eben nur Spiegel der Gegenwart – so wie es die Rennen wohl auch sein werden, ohne Fans, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne die direkte Übermittlung der Emotionen.

Was ebenso fehlte – doch das lag am Wetter: das berühmte Panorama rund um die Stadt, die nach den drei Olympia-Goldenen von Toni Sailer selbst einen Fixplatz in Hollywood einnahm. Die Spiele hatten aus der landwirtschaftlich geprägten Region eine Tourismus-Hochburg gemacht und dem Ort (Haupt-) Rollen in Filmen wie „Der rosarote Panther“ (1963) mit Peter Sellers, „Colonel von Ryans Express“ (1965) mit Frank Sinatra, „Leichen pflastern seinen Weg“ (1968) mit Klaus Kinski oder „Die Rivalin“ (1973) mit Liz Taylor und Henry Fonda beschert.

Das Tofana-Dreigestirn, nach dem auch die WM-Abfahrt der Damen benannt ist, mit den drei Dreitausendern, ist längst Unesco-Weltkulturerbe. Und auch wesentlicher Bestandteil der WM-Inszenierung; wenn das Wetter passt – und das, wie auch Gianfranco Kasper, Präsident des internationalen Skiverbandes, betont, ist das Detail, das wesentlich zum Gelingen von Weltmeisterschaften beitragen kann und muss. Dieses soll übrigens ab Mitte der Woche besser werden – und spätestens zum Abfahrtswochenende soll das Panorama zu sehen sein, der Gatsch sich wieder zu Schnee und Eis verwandelt haben. Und Cortina auch visuell das liefern, was wir uns von einer WM wünschen: Hollywood ...