Er war (und ist) der "Lieblings-Piefke" der Österreicher: Felix Neureuther fuhr (und redete) sich in seiner aktiven Karriere in die Herzen der Ski-Nation Nummer eins. Nach seinem Karriereende verschreibt er sich dem Sport. Und auch dem Nachwuchs: In seinem neuen Buch "Die Helden von morgen" - geschrieben mit Ex-Hirscher Pressemann Stefan Illek und dem Journalisten Alexander Hofstetter - geht es um Sport, die Probleme im Nachwuchs, um Geschichten von Helden und Experten. Und um nichts weniger als die Zukunft.

Aber Neureuther wäre nicht Neureuther, hätte er seinen Ausflug zurück in den Weltcup nicht mit einem Schmäh begonnen: "Ich bin nur hier, um zu sagen, dass ich bei den zwei Abfahrten hier in Kitzbühel über die Streif mein Comeback gebe. Das erste Training habe ich nur ausgelassen, weil da geht es eh um nichts." 

Der Stellenwert des Sports

Dann wurde der 36-Jährige ernst. Und drückte seine Sorgen um den Sport aus. Die Sorge darüber, dass die Kinder von heute nicht mehr den Bezug zum Sport finden, dass sie weiterhin dem Smartphone und dem Bildschirm den Vorzug geben. Auf der Suche nach Antworten hat sich Neureuther mit vielen Personen getroffen und geredet: Mit Marcel Hirscher natürlich. Mit Arnold Schwarzenegger (Neureuther: "Ein Wahnsinns-Mensch mit so vielen Geschichten"). Mit Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß und Bayern-Star Thomas Müller. Mit Zukunftsforscher Tristan Horx. Und mit vielen anderen. Mit Spezialisten eben, die ihre Sicht der Dinge zum besten geben.

Die Conclusio von Neureuther: "Der Sport ist so unnahbar geworden. Der Breitensport hat sich so sehr vom Profisport entfernt. Und es wird immer schlimmer. Wir müssen jetzt anfangen, Dinge zu verändern. Weil wenn in 20,30 Jahren die nächsten Generationen kommen, dann kann es zu spät sein, auch und speziell für den Skisport, so wie wir ihn heute noch kennen und lieben." 

Die Kernfrage: Wie kann man Kinder zum Sport bewegen? Was muss passieren, was muss sich ändern? Neureuther zieht für "die Helden von morgen" (das sind alle, die etwas verändern wollen und können) eine breite Schleife. Es geht um Verbände und ihre starre Organisation. "Die Funktionäre sehen nicht, was passiert. Und die, die was ändern wollen, können nicht, weil da dann fünf andere sind, die dagegen sind." Und so hat ein Kreislauf zwischen Bestechung und Kommerz begonnen, der mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit endet. Und damit, dass der Sport seine Nachhaltigkeit verliert, seine Vorbildwirkung. Weil die Helden des Sports für die Kinder nicht mehr zu Vorbildern werden - und dem Sport so die Helden von morgen verloren gehen.

Das neue Buch von Felix Neureuther
Das neue Buch von Felix Neureuther © Egoth Verlag/KK

Neureuther will aber nicht nur kritisieren, er will Lösungswege aufzeigen. Etwa mit der Ansicht, "dass sich viel mehr Sportler nach der Karriere in den Verbänden engagieren müssen, und da dann nicht nur aufs Geld schauen dürfen." Seine Idee wäre etwa, sich zusammen mit Hirscher in der Funktionärsebene einzubauen: "Ich kann dann der Kasperl sein, er kann ernsthaft arbeiten", scherzte Neureuther, der anfügte: "Ich dachte immer, ich kann nur Kinderbücher schreiben, weil da viele Bilder drin sind. Aber dank der Hilfe meiner Co-Autoren haben wir es hinbekommen."

Klar ist ihm: "Es braucht ein radikales Umdenken, sonst wird der Sport, den wir lieben, so in der Öffentlichkeit sicher nicht mehr wahrgenommen werden." Vor allem der Skisport ist ihm ein Anliegen. "Den versteht keiner mehr. Wir haben acht Disziplinen - ich denke, man kommt mit Abfahrt, Riesentorlauf, Slalom aus. Den Super-G würde ich auch behalten, auch aus Sicht der Athleten. Aber sonst begreift das ja in Hamburg keiner mehr. Und man hat auch keine Helden mehr, die für Kontinuität sorgen, mit denen man sich identifizieren kann!"

Was er in seinen Gesprächen erfahren hat und was Neureuther, selbst zweifacher Papa mit Ex-Biathletin Miriam Neureuther, schockt: "Von 6 bis 10 spielen viele Kinder Fußball. Ab 10 brechen sie weg. Das ist in allen anderen Sportarten auch so. Weil die Professionalisierung so früh beginnt, sich das keiner mehr antun will." Dazu kommt: "Vor Corona hatte man bei 5 Prozent aller Kinder eine Bildschirmzeit von acht Stunden und mehr pro Tag. Jetzt sind es schon 25 Prozent. Es ist an der Zeit, etwas zu tun!"

Kinder brauchen ihre Kindheit, ihre Freiheit. Und, was man braucht: "Solche Systeme wie in Norwegen. Wie viel Freiheit und Bewegung die Kinder da genießen. Und wie gut sie trotzdem in so vielen Sportarten sind. Die machen schon was richtig da oben!"